zum Hauptinhalt

Brandenburg: Entsetzen über Brandanschlag: Jüdischer Friedhof in Potsdam geschändet

Nach einem Brandanschlag auf den jüdischen Friedhof in Potsdam hat Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) ein hartes Vorgehen gegen die rechte Szene angekündigt. Er sei "finster entschlossen" mit allen Konsequenzen gegen die Straftäter vorzugehen, sagte Schönbohm am Montag in Potsdam.

Von Frank Jansen

Nach einem Brandanschlag auf den jüdischen Friedhof in Potsdam hat Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) ein hartes Vorgehen gegen die rechte Szene angekündigt. Er sei "finster entschlossen" mit allen Konsequenzen gegen die Straftäter vorzugehen, sagte Schönbohm am Montag in Potsdam. Am Tatort führte er Gespräche mit dem Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde in Berlin, Andreas Nachama, sowie Vertretern der Jüdischen Gemeinde Brandenburg. Für Hinweise, die zur Ergreifung der Täter führen, setzte er eine Belohnung von 10 000 Mark aus. Kulturministerin Johanna Wanka (parteilos) äußerte Entsetzen und sprach von einer "feigen und heimtückischen" Tat. Der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, sagte: "Die Gewalt nimmt ein Ausmaß an, das unerträglich ist." Von Überdramatisierung könne keine Rede sein. "Das sind keine Lausbubenstreiche mehr", bemerkte Spiegel.

Den jüngsten Anschlag auf den jüdischen Friedhof in der Potsdamer Puschkinallee hat offenbar eine "Nationale Bewegung" verübt. Ein entsprechendes Bekennerschreiben fand die Polizei neben der Trauerhalle des Friedhofs. Wie viele Personen die "Nationale Bewegung" bilden, ist unklar. Die Sicherheitsbehörden vermuten jedoch, es handele sich nur um Einzelpersonen. Die "Nationale Bewegung" war bereits im letzten Jahr aufgefallen, als an Brandenburger Autobahnbrücken Transparente zum "Gedenken" an Rudolf Heß auftauchten. Am Morgen hatten Friedhofsgärtner den verbrannten Torflügel des Hintereingangs der Trauerhalle entdeckt und die Polizei verständigt. Außerdem ist die Trauerhalle stark verrußt. Laut Polizei hatten Unbekannte die zur Trauerhalle führende Tür angezündet. Dabei wurde in den linken Flügel des Holztores ein 1,30 mal 0,25 Meter großes Loch gebrannt. Verletzt wurde niemand. Den gefundenen Spuren nach, so Polizeidirektor Norbert Langerwisch, handele es sich vermutlich um "maximal zwei Täter". Der Tatzeitraum liegt laut Polizei zwischen Sonntag, 13 Uhr, und Montag, 10 Uhr 50. Die Brandstifter müssen in der Nacht zu gestern über die Mauer auf den Jüdischen Friedhof gelangt sein, rekonstruierte Langerwisch. Denn die Ruhestätte sei nachts geschlossen. Um das Holztor zur Trauerhalle zu entzünden, hätten die Täter Brandbeschleuniger benutzt. Der Jüdische Friedhof Potsdam wurde in der Vergangenheit schon mehrmals Ziel rechter Übergriffe. Zur Schändung der Gräber im Februar vergangenen Jahres hatte sich ebenfalls "Die nationale Bewegung" bekannt. Diese rechtsradikale Tätergruppe hinterließ auch ein Bekennerschreiben an der Villa Grenzenlos, die in der Nacht zum 21. September 2000 mit antisemitischen Sprüchen beschmiert worden war.

Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Andreas Nachama, äußerte sich bestürzt über den Anschlag. "Die Zerstörung geht weit über den entstandenen materiellen Schaden hinaus", sagte er nach einem Besuch des Friedhofes am Montagnachmittag. Nachum Presmann, Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Brandenburg, war fassungslos, als er gestern Mittag auf dem Friedhof eintraf. "Ich bin schockiert." Dies sei wahrhaftig ein Bild der Schande, sagte Eike Lancelle, Staatssekretär im Innenministerium. Der materielle Schaden sei nicht so hoch, gemessen am moralischen Schaden, den eine solche frevelhafte Tat verursache, sagte Lancelle. Um die Ermittlungen schnell voranzutreiben, habe man im Potsdamer Polizeipräsidium eine Sonderkommission einberufen.

"Mit Abscheu" habe er die Tat zur Kenntnis genommen, erklärte Potsdams Bürgermeister Jann Jakobs. Er forderte eine zügige Aufklärung und anschließende Verurteilung der Täter sowie "Mut zum öffentlichen Bekenntnis gegen Rechts". Gleichzeitig kündigte der Bürgermeister an, dass die Stadt ihre Solidarität mit der Jüdischen Gemeinde künftig noch stärker öffentlich mache. Bildungsminister Steffen Reiche (SPD) will alle Schulen schriftlich auffordern, das Thema Gewalt, Rechtsextremismus und Antisemitismus in der ersten Schulstunde am Donnerstag zu behandeln.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false