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Brandenburg: Ermyas-Prozess: Freispruch zu erwarten

Auch das zweite Stimmgutachten bringt keinen Beweis – die Angeklagten können sich entlastet fühlen

Von Frank Jansen

Potsdam - Im Prozess um den Überfall auf Ermyas M. in Potsdam ist offenkundig die letzte Hoffnung der Staatsanwaltschaft geplatzt, die beiden Angeklagten doch noch der Tat überführen zu können. Auch das zweite Stimmgutachten, das im Mai von Oberstaatsanwalt Rüdiger Falch beantragt und gestern von einem Sachverständigen im Landgericht Potsdam präsentiert wurde, gibt für eine Verurteilung von Björn L. und Thomas M. nichts her. Professor Sameh Rahman von der Universität Hannover erkannte zwischen der Stimme von Björn L. und derjenigen, die in der Tatnacht auf der Mobilbox der Frau von Ermyas M. aufgezeichnet wurde, nur eine Übereinstimmung von maximal 49 Prozent. Für den zweiten Angeklagten kam es noch besser: Dass die Stimme von Thomas M. mitgeschnitten wurde, schloss Rahman aus.

Damit ist die Beweisaufnahme, falls kein Antrag mehr kommt, nach 18 Verhandlungstagen abgeschlossen. Am Mittwoch sollen die Plädoyers gehalten werden. Das Urteil ist entweder für Freitag oder den Mittwoch darauf zu erwarten.

Auf das zweite Stimmgutachten hatte die Staatsanwaltschaft große Hoffnungen gesetzt – nachdem das erste, angefertigt vom Landeskriminalamt, vage blieb. Doch die Stimmen von Björn L., wegen seiner hohen Tonlage von Freunden „Piepsi“ genannt, und von Thomas M. sind angesichts einer schwachen Beweislage von großer Bedeutung. Denn der Anrufbeantworter der Frau von Ermyas M. hatte in der Nacht zu Ostersonntag 2006 nach einem vergeblichen Handy-Anruf des Deutschäthiopiers noch seinen Streit mit bis zu zwei Männern aufgezeichnet. Mindestens einer sagte „Scheiß-Nigger“. Kurz darauf wurde Ermyas M. nahe dem Potsdamer Bahnhof Charlottenhof durch einen Faustschlag gegen den Kopf lebensgefährlich verletzt. Laut Anklage haben Björn L. und Thomas M. den Deutschafrikaner als „Nigger“ beleidigt. Björn L. soll dann nach einem versuchten Tritt von Ermyas M. zugeschlagen haben. Beide Angeklagte bestreiten jede Schuld.

Am Ende der mühsamen, oft unergiebigen Beweisaufnahme wirkte das zweite Stimmgutachten fast schon wie eine leicht groteske Pointe. Der Professor aus Hannover, dessen fachliche Kapazität außer Frage steht, jonglierte mit Fachvokabeln wie „eindimensionale Realstruktur“ und überschüttete die Strafkammer mit Zahlen. Rahman glaubt im Unterschied zu den Phonetikern des Landeskriminalamts, menschliche Stimmen anhand mathematischer Vergleiche identifizieren zu können. Beim Vergleich der von Björn L. nach seiner Festnahme abgegebenen Stimmprobe mit den Tonlagen auf der Mobilbox kam Rahman indes auf eine Übereinstimmung von „minus 233 Prozent“. Der Wert wuchs aber ins Positive, als Videos der Familie von L. ausgewertet wurden – doch es reichte nur zu „plus 49 Prozent“. Der Angeklagte Thomas M. konnte sich hingegen bei „minus 97 Prozent“ nach dem Vergleich von Mobilbox und Stimmprobe bei der Polizei entspannt zurücklehnen.

Dem Vorsitzenden Richter Michael Thies erschien Rahmans Gutachten phasenweise so abstrakt, dass er mehrere Verständnisfragen stellte – ohne nach den professoralen Antworten wirklich aufgeklärt zu wirken. Und erst recht irritierte Rahmans Erkenntnis, auf der Mobilbox seien nur zwei Personen zu hören: Ermyas M. und ein Mann. „Wir sind aber davon ausgegangen, dass es mindestens drei sind“, insistierte Thies. Rahman beharrte darauf: Bei seiner mathematischen Frequenzanalyse seien nur zwei Stimmen zu unterscheiden gewesen.

„Das war Realsatire“, sagte hinterher Anwalt Karsten Beckmann, der Björn L. vertritt. Für Beckmann und seine beiden Verteidigerkollegen ist schon lange klar: Es kann nur Freispruch geben. Und so sieht das auch der Anwalt von Ermyas M.

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