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Brandenburg: Erst kam die Flut – dann der Neid

Von Klaus-Dieter Steyer Fünf Jahre nach dem Oder-Hochwasser taucht in der Region zwischen Frankfurt und Eisenhüttenstadt wieder das Gerücht vom Verrat auf. Der Deich, so erzählen es die Einheimischen den Besuchern in den Gaststätten oder bei Spaziergängen durch die herausgeputzten Dörfern, sei damals absichtlich von den Helfern aufgegeben worden.

Von Klaus-Dieter Steyer

Fünf Jahre nach dem Oder-Hochwasser taucht in der Region zwischen Frankfurt und Eisenhüttenstadt wieder das Gerücht vom Verrat auf. Der Deich, so erzählen es die Einheimischen den Besuchern in den Gaststätten oder bei Spaziergängen durch die herausgeputzten Dörfern, sei damals absichtlich von den Helfern aufgegeben worden. Man habe die Stadt Frankfurt mit ihren 75 000 Einwohnern retten wollen und sich für das kleinere Übel entschieden, heisst es. In der Mitte Juli 1997 nach zwei Deichbrüchen überfluteten Ziltendorfer Niederung lebten nur 500 Menschen, die leicht in Sicherheit gebracht werden konnten. Die zuständigen Behörden wiesen schon damals alle derartigen Überlegungen schroff zurück. Alle Deichabschnitte seien mit vollem Einsatz verteidigt worden.

Marcus Eger aus dem Dorf Kunitzer Loose inmitten der Ziltendorfer Niederung winkt im Gespräch schnell ab. Es sei heute müßig, die damaligen Umstände genau klären zu wollen. Doch seine genaue Erinnerung an Pegelstände, Datumsangaben und andere Fakten überrascht. Wie sich zeigt, haben die meisten Menschen im damaligen Überschwemmungsgebiet die dramatischen Ereignisse vom Juli und August 1997 nicht verdrängt.

Aber die Stimmung in der gerade 300 Einwohner zählenden Ziltendorfer Niederung hat sich nach dem Sommer vor fünf Jahren verändert. „Die Herzlichkeit der Menschen untereinander kommt nicht wieder“, meint Eger. Zu viel Missgunst und gegenseitige Verdächtigungen hätten das Klima wohl auf Dauer beschädigt. Es ging um öffentliche Zuschüsse für den Wiederaufbau von Häusern und die Frage: Wer hat zu viel bekommen? Marcus Eger, der im nahen Eisenhüttenstadt eine Gaststätte führt, ist auch von Nachbarn angefeindet worden. Er musste sich gegen den Verdacht wehren, er habe sich in der Spendenflut ungerechtfertigte Vorteile erschlichen. Ein auf einer Einwohnerversammlung an ihn übergebener Brief von der Landesregierung wurde ihm zum Verhängnis.

Dieses Couvert war wirklich einmalig im ganzen Überschwemmungsgebiet. Denn zwei Tage vor dem geplanten Einzug in ein neues Fertigteilhaus kam die Flut. 2,60 Meter hoch stand das Wasser – 26 Tage lang. Da die Bauabnahme aber nicht erfolgt war, konnten sich Marcus Eger und seine Frau Ute polizeilich noch nicht anmelden. „Wir hatten also keinen Wohnsitz in der Ziltendorfer Niederung und somit auch keinen Anspruch auf Spenden“, erzählt der damals geschockte Hausherr. „Ich berichtete Journalisten unser Schicksal. Plötzlich gingen wir durch alle Medien.“ Gleichzeitig bat er die Landeregierung um Hilfe, deren Antwort in dem bewussten Brief steckte.

Am Haus selbst war nicht mehr viel zu retten.Das Erdgeschoss war hin. Nur das trocken gebliebene Dachgeschoss konnte erhalten werden. In einer technischen Meisterleistung wurde es in Einzelteile zerlegt und auf ein fabrikneues Untergeschoss aufgesetzt. Wie alle betroffenen Einwohner erhielten auch die Egers 90 Prozent der Kosten ersetzt.

Allerdings unterscheidet sich das heutige Fertighaus doch etwas vom Vorgängerbau. Es steht auf einem Kasten aus wasserundurchlässigem Beton. Normalerweise dienen solche Konstruktionen als Keller in Gebieten mit feuchtem Untergrund. Die Egers nutzen den Unterbau als Garage.

„Beim nächsten Hochwasser bringen wir das Auto in Sicherheit, öffnen die Tür, lassen die Flut rein und warten ab“, sagt Marcus Eger.

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