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Brandenburg: Erstes Urteil gegen Neuruppiner Mafia

Drogendealer der „XY-Bande“ muss zehn Jahre in Haft und belastet CDU-Kommunalpolitiker schwer

Neuruppin - Der Angeklagte trug eine kugelsichere Weste, vor und im Gerichtssaal überwachten schwer bewaffnete und mit Kopfmasken getarnte SEK-Beamte das Geschehen, die Rollos waren heruntergelassen und kein Zuschauer gelangte ohne intensive Leibesvisitation auf die Zuschauerbänke. Dennoch fürchtete der 37-jährige Mario L. während der gestrigen Verhandlung vor dem Neuruppiner Landgericht um sein Leben. Auf seinen Antrag wurde die Öffentlichkeit vom ersten Prozess gegen die so genannte XY-Mafia von Neuruppin ausgeschlossen. Erst zur Urteilsbegründung ließ der Richter die Türen wieder öffnen. Wegen bandenmäßigem Drogenhandels wurde der zuletzt in Neustadt/Dosse wohnende und ein Tattoo-Studio betreibende Mann zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt.

Das Gericht hielt ihm zugute, dass er ein „sehr glaubwürdiges“ Geständnis „aus freien Stücken“ abgegeben hatte. Er habe damit weitere Ermittlungen gegen zahlreiche Beschuldigte in Neuruppin erleichtert, sagte der Vorsitzende Richter. Nach seinen Angaben belastete Mario L. vor allem den früheren CDU-Stadtverordneten Olaf K. schwer. Dieser soll mit weiteren Kumpanen über mehrere Jahre hinweg in der Kleinstadt ein enges Netz aus Bestechung, Prostitution, Drogen- und Menschenhandel, Steuerhinterziehung sowie illegalem Glücksspiel gesponnen haben. Die Bandenmitglieder führten die Buchstabenkombination XY auf den Kennzeichen ihrer Limousinen. Nach einer Großrazzia im August sitzen neben Olaf K. sechs weitere Beschuldigte in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen etwa 100 Personen, auch gegen Beschäftigte der Stadtverwaltung. Ein Polizist soll die Bande regelmäßig vor Razzien gewarnt haben.

Mario L. sitzt bereits seit zwei Jahren im Gefängnis. Im Januar 2002 wurden in seinem Wohnhaus 1,3 Kilogramm Kokain gefunden. Er erhielt dafür wegen der Beteiligung am Drogenhandel und wegen unerlaubten Waffenbesitzes sieben Jahre Freiheitsentzug. Dieses Strafmaß wurde mit dem gestrigen Urteil aufgehoben und in die zehnjährige Gesamtstrafe einbezogen. Offensichtlich reichten die Drohungen des XY-Bande bis in die Haftanstalt. Er solle sich überlegen, was er im Neuruppiner Prozess aussage, sei ihm ausgerichtet worden. Dabei ist Mario L. in einem Zeugenschutzprogramm untergebracht.

Ausführlich zitierte der Richter das Geständnis des Verurteilten. Danach hat er im Jahre 2001 von den Köpfen der XY-Mafia mehrere Kilogramm Kokain erhalten, um sie mit Milchpulver zu strecken und 100-Gramm-Päckchen herzustellen. Darüber hinaus packte er 20 000 Ecstasy-Pillen in kleinen 1000-Stück-Portionen ab. Auf Anweisung der Bandenchefs brachte er die Tüten jeweils nach Neuruppin in eine Kneipe, wo er sie im Spülkasten der Damentoilette versteckte. Für diese Tätigkeit erhielt Mario L. monatlich 3000 DM. Außerdem soll ihm Olaf K. in jenem Jahr 25 Kilogramm Marihuana zum Kilo-Preis von 3000 Mark überlassen haben.

Bei der ersten Verhandlung vor knapp zwei Jahren machte Mario L. keine Angaben über die Herkunft des Kokains. Er soll von Olaf K. mehrere tausend Euro Schweigegeld erhalten haben. „Dann wurde er allerdings hängen gelassen, so dass er sich für ein umfassendes Geständnis entschied“, sagte der Richter. Mario L. habe „reinen Tisch machen wollen“. Es sei klar, dass er sich nach der Haft in Neuruppin nur sehr schwer wieder einleben werden könne. „Er hat mit seinem Geständnis verbrannte Erde hinterlassen“, meinte der Richter. L. nahm das Strafmaß weitgehend regungslos entgegen.

Gegen die Köpfe der XY-Mafia soll der Prozess im Frühjahr 2005 beginnen.

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