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Ex-DDR: „Die wollten uns einfach enteignen“

1990 erhielten Horst Netzel und sein Bruder das Land ihres Vaters zurück. Als sie es 2002 verkaufen wollten, sollte es ihnen plötzlich nicht mehr gehören.

Strausberg - Der 71-jährige Horst Netzel aus Strausberg lächelt, wenn er als der „neue Held Brandenburgs“ angesprochen wird. Er war es schließlich, der zusammen mit seinem Anwalt Ulrich Mohr nach einem sechsjährigen Prozessmarathon den Brandenburger Bodenskandal ans Licht gebracht hat. „Na ja, diese Schweinerei durfte man ja nicht durchgehen lassen“, sagt der ehemalige Autokarosseriemeister in seinem Haus am Rande des Straussees. „Das Land wollte uns und viele andere einfach enteignen.“

Die Geschichte beginnt kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Familie Netzel wird wie Tausende andere aus Pommern vertrieben. In der Nähe von Stettin hatten sie einen eigenen Hof bewirtschaftet. Westlich der Oder sollen sich der aus dem Krieg zurückgekehrte Vater mit seiner Frau und dem damals neun und zehn Jahre alten Söhnen Horst und Egon eine neue Existenz aufbauen. Sie erhalten 10 Hektar Land bei Genschmar im Oderbruch, nachdem zuvor ein Großgrundbesitzer im Zuge der Bodenreform enteignet worden war.

„Wir haben auf diesem Land geschuftet, um uns über Wasser zu halten“, erinnert sich Horst Netzel. „Als Zehnjähriger musste ich schwere Säcke schleppen und mich beim Zuschütten der Bombentrichter quälen.“ Auf diesem Feld habe er als Kind seine Wirbelsäule ruiniert.

Mitte der 50er-Jahre gingen die zehn Hektar zusammen mit dem Eigentum benachbarter Bauern an die LPG Genschmar. 1988 verstarb der Vater, und als sich Anfang 1990 die LPG auflöste, erhielten die Witwe und die beiden Söhne jene zehn Hektar zurück. „Allerdings hatte die letzte DDR-Regierung 1990 beschlossen, dass nur selbst in der Landwirtschaft arbeitende Personen das Bodenreformland behalten durften“, erinnert sich Horst Netzel. „Unsere Familie hatte mit Ackerbau aber nichts am Hut, so dass wir das Land einem Bauern zur Bewirtschaftung verpachteten.“ Ihm sei durchaus bewusst gewesen, dass sie das Grundstück auf Antrag des Landes Brandenburg hätten herausgeben müssen.

Doch bis zum Ablauf der Verjährungsfrist im Oktober 2000 geschah nichts. Die Netzels verkauften daher im Frühjahr 2002 die zehn Hektar an den langjährigen Pächter. Die beauftragte Notarin hatte nach dem Blick in das Grundbuch alles offiziell beglaubigt. „Als aber der Käufer ins Grundbuch eingetragen werden sollte, stand plötzlich das Land Brandenburg als Eigentümer im Grundbuch.“ Angeblich habe die Suche nach den rechtmäßigen Erben des Feldes keinen Erfolg gebracht, hieß es. Doch Kreis- und Landesämter kannten die Netzels und standen seit 1990 oft mit ihnen in Kontakt.

„Die Behörden müssen erst durch unseren Verkauf auf den Fall aufmerksam geworden sein, um sich dann rasch das Land unter den Nagel zu reißen“, glaubt Horst Netzel. Der damals zuständige Landrat des Kreises Märkisch-Oderland erklärte gestern, die Weisung für den Umgang mit den Grundbüchern sei damals aus Potsdam gekommen.

Horst Netzel bestritt das Eigentum des Landes, kämpfte sich durch die Instanzen und erhielt nun vom BGH Recht: Die Eintragung des Landes als Eigentümer war rechtswidrig. Die Ironie dabei ist: Hätten die Behörden vor Oktober 2000 ordnungsgemäß einen Erben gesucht, Netzel gefunden und festgestellt, dass er nicht landwirtschaftlich tätig war – wäre das Land ganz legal Eigentümer geworden. Ste.

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