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Brandenburg: Fehlurteile, Sicherheitsmängel und Schlendrian begünstigten Serows Flucht

POTSDAM .Der spektakuläre Ausbruch des geständigen Hintze-Entführers Sergej Serow ist durch Schlamperei und Führungsdefizite in der Potsdamer Untersuchungshaftanstalt begünstigt worden.

POTSDAM .Der spektakuläre Ausbruch des geständigen Hintze-Entführers Sergej Serow ist durch Schlamperei und Führungsdefizite in der Potsdamer Untersuchungshaftanstalt begünstigt worden.Zu diesem Ergebnis kommt die von Justizminister Hans Otto Bräutigam eingesetzte Untersuchungskommission, die gestern ihren Abschlußbericht vorlegte.Bräutigam kündigte disziplinarische Vorermittlungen gegen den bisherigen Potsdamer Anstaltsleiter und weitere Beamte, eine Reorganisation der Fachaufsicht des Ministeriums und eine Überprüfung aller märkischen Haftanstalten an.Die Staatsanwaltschaft hat keine Hinweise darauf gefunden, daß Serow innerhalb oder außerhalb des Gefängnisses Helfer hatte.

Der vom Dienst suspendierte Potsdamer Gefängnisdirektor wird Bräutigam zufolge nicht wieder auf seinen Posten zurückkehren.Allerdings bleibt dieser bis zum Abschluß der disziplinarischen Vorermittlungen Chef der Strafvollzugsanstalt Oranienburg.Die Doppelfunktion habe dazu geführt, daß die Potsdamer Anstalt "nicht mit der nötigen Intensität" geführt wurde, sagte Bräutigam.Nun werden beide Gefängnisse organisatorisch getrennt.Zur kommissarischen Chefin der Potsdamer Haftanstalt ernannte Bräutigam Oberregierungsrätin Christine Weiss, die bislang im Referat für Strafvollzug gearbeitet hatte.

Dem Abschlußbericht zufolge öffnete Serow die Zellentür, zwei weitere Türen sowie das Schloß der Dachluke mit Nachschlüsseln, die er ohne Vorlage aus einer Toilettenbrille gefeilt hatte.Daß dies gelang, sei "entscheidend dadurch begünstigt" worden, daß Serow trotz Fluchtgefahr und Anordnungen der Staatsanwaltschaft als Haushandwerker eingesetzt wurde, hieß es von der Kommission und der Staatsanwaltschaft.Daß der Häftling ein Handy hatte, sei nicht ungewöhnlich, da diese bei Besuchen leicht hinzuschmuggeln seien.Bräutigam: "Es muß davon ausgegangen werden, daß sich in allen deutschen Justizvollzugsanstalten Geld und in einem Großteil der Anstalten auch Handys im Besitz von Gefangenen befinden." In dem Bericht ist von "einer Reihe von Unzulänglichkeiten im Bereich der Organisation, der Personalführung und der Leitungsstruktur" die Rede, sowie vom unzureichenden Bewußtsein der Belegschaft für Sicherheitsprobleme im Potsdamer Gefängnis.Da auch der unübersichtliche Bau "mitursächlich" gewesen sei, sollen bis Mitte Januar einige Videokameras installiert und Schlösser ausgetauscht werden.

Zwar gibt es nach den Worten des Justizministers "keine Hinweise" auf "vergleichbare Defizite" in anderen Haftanstalten, aber dennochsollen alle überprüft werden.Handlungsbedarf sieht der Minister auch bei der Fachaufsicht des Ministeriums, die die Anstalten "häufiger" kontrollieren soll.Der Chef dieser Fachaufsicht hatte die Kommission geleitet, was CDU- und PDS-Opposition, aber auch SPD-Landtagsabgeordnete heftig kritisiert hatten.Bräutigam nannte das Mißtrauen unbegründet: Die Kommission habe "ausgezeichnete Arbeit in kurzer Zeit" geleistet.

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