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Brandenburg: Festung Maisfeld

Umweltschützer wollten ein Feld mit genmanipulierten Pflanzen zerstören. 280 Polizisten hielten sie fern

Hohenstein - Bauer Jörg Piprek steht vor seinem hohen Maisfeld und spricht in die Kamera. Er sagt, dass Genmais von der EU-Zulassungskommission zugelassen sei und deshalb keine Gefahr, außerdem stünden hier 50 Hektar Mais und die zehn Hektar mit Genmais mittendrin: „Die sieht man gar nicht.“ Das Kamerateam ist zufrieden. Jörg Piprek, 44, mittelgroß, feine Haare und Brille, auch. Er verschränkt die Arme und sagt, er sei schon ein bisschen stolz, wenn er das so sehe. Er meint nicht seinen Mais, er meint das Polizeiaufgebot, das am Sonntag auf den schmalen Straßen zwischen Ruhlsdorf, Hohenstein und Gladowshöhe unterwegs ist, um seinen Mais zu schützen.

280 Beamte aus Brandenburg und Berlin, verpackt in Schutzkleidung, Hundeführer, Reiterstaffel, ein Hubschrauber, der den ganzen Tag über der platten Gegend im Osten Berlin kreist. Das hatte die Polizei Strausberg organisiert, um sich „der Provokation entgegenzustellen“, wie Polizeisprecher Thorsten Wilde sagt.

Die Provokation, das war die Ankündigung einer Gruppe von Gentechnik-Gegnern, Pipreks Feld zu stürmen. Deshalb gab es Auflagen: Die Demonstranten dürfen nicht näher als 250 Meter an das Feld ran, nicht zu Gewalt aufrufen und sich nicht vermummen. Die Gruppe heißt „Gendreck weg“, sie wird angeführt von zwei Imkern aus Rottenburg bei Tübingen. Die Derbheit des Namens ist programmatisch. In diesem Jahr, droht Jürgen Binder, einer der Imker, würde man sich noch ankündigen und den Bauern für Schaden Geld anbieten. Nächstes Jahr aber würden sie unangemeldet kommen, das sei eine Warnung an alle Bauern, die Genmais anpflanzen wollen.

Binder hat wie viele Imker Angst um seinen Betrieb. Wenn die Bienen an den Genmais gehen, werde keiner mehr seinen Honig kaufen, sagt er. Er sieht ganz gemütlich aus, wird aber schneidend, wenn er sich erregt darüber, wie Monsanto und andere Gensaatgut-Produzenten ihre Ware an die Bauern und auf die Äcker bringen. „Hier wird etwas in Gang gesetzt, was nicht rückgängig gemacht werden kann“, sagt er. Das sei Gewalt, nicht das, was seine Initiative vorhabe. Später am Tag gehört er zu den etwa 78 Personen, die in Polizeigewahrsam kommen und einen Platzverweis für die Region erhalten.

Bis dahin haben die Demonstranten auf ihrem Wiesencamp bei Ruhlsdorf geplant, wie sie zum bewachten Acker gelangen wollen, Mütter haben ihre Babys gestillt, Teller und Löffel wurden gespült, man ist über Bauer Piprek hergezogen und hat sich wichtig gefühlt, wenn Polizisten vorbeigingen.

Im Mai 2005 haben Bauern in sechs Bundesländern Genmais des Typs MON 810 ausgesät. Der produziert selbst das Insektengift, das seinen Schädling, den Maiszünsler, tötet. Das Gift ist also in der Pflanze, und wird nicht aufgesprüht. Der giftproduzierende Mais von Pipreks Feld ist kein Versuch, er wird verfüttert werden an Kühe, deren Milch irgendwann im Kühlregal eines Supermarktes steht. Und keiner wird wissen, wo und wann. Dass Produkte von Tieren, die mit Genmais ernährt wurden, gekennzeichnet werden, hat Binder mehrfach dringend gefordert.

Am Sonntag bei Piprek am Feld stehen ein paar Unterstützer, ältere Männer, die den anderen vorwerfen, ahnungslos zu sein. Sie zitieren Studien, nach denen die Unbedenklichkeit von Genmais erwiesen ist. Aber die Gegner kennen ebenso Studien, die das Gegenteil belegen. Eines aber ist unstrittig: Die Langzeitfolgen sind bisher nicht bekannt.

Am Nachmittag wird die Stimmung kämpferisch, auch bei den Polizisten steigt die Anspannung. Um 14 Uhr beendet Binder die Veranstaltung und fragt, wer einen Spaziergang zum Maisfeld machen will. Mit Trommlern und Luftballons ziehen etwa 250 Demonstranten die Landstraße entlang, zwischen ihnen und dem Acker zehn Busse der Polizei.

Im Ort Hohenstein hat die Polizei die Straße abgesperrt. Die Trommler trommeln wild, die Hohensteiner stehen in ihren Gärten, Demonstranten werfen Maisstangen auf einen Haufen und tanzen. Einige nehmen einen Feldweg, rennen dann plötzlich los, Pferde bäumen sich auf. Der Bauer, dem der Feldweg gehört, tobt. So nicht, schreit er. Er sei auch gegen Gentechnik, aber deshalb könne diese Demo noch lange nicht über seinen Boden trampeln. Binders Co-Chef beruhigt den Mann, tätschelt seine Schulter, bietet ihm Geld an. Einsatzfahrzeuge schalten Blaulicht ein, Polizisten verfolgen die Demonstranten durch ein Weizenfeld.

Der Bauer sagt, das habe doch keinen Sinn. Für Protest sei es längst zu spät, sagt er. Die Gentechnik ist jetzt da.

Die Polizei blieb bis spät abends in Hohenstein, um den Acker zu sichern gegen einzelne Maisattacken. Die Demonstranten nannten ihre Aktion am Abend einen Erfolg. Sie wollten erreichen, dass wieder über Gentechnik gesprochen wird. Wenn sie Pech haben, spricht man nur über sie.

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