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Auf Angriff eingestellt. Mit angespannter Miene verfolgte Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) die Rede der CDU-Oppositionsführerin Saskia Ludwig, die Aufklärung in der Immobilienaffäre forderte.

© dapd

Filzvorwürfe gegen Platzeck: Immobiliendeal EU-rechtlich umstritten

Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck wehrt sich gegen Filzvorwürfe bei Potsdamer Wohnungsverkauf.

Potsdam - Es war mehr ein Gegenangriff als ein Dementi. Brandenburgs Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) wies am Donnerstag Filzvorwürfe der CDU-Opposition wegen der umstrittenen Privatisierung von 1050 kommunalen Wohnungen der Stadt Potsdam während seiner Amtszeit als Oberbürgermeister im Jahr 2000 zurück. Im Landtag verwehrte er sich dagegen, einen Zusammenhang zwischen „dem elf Jahre alten Immobilienverkauf“ an den holsteinischen Unternehmer Theodor Semmelhaack und dessen Jahre darauf folgenden Sponsoring-Aktivitäten für die Sportvereine Babelsberg 03 und VfL Potsdam herzustellen. Beide Vereine wurden von den inzwischen über Affären gestürzten SPD-Ministern Rainer Speer und Holger Rupprecht geführt. Zu dem Immobiliengeschäft, bei dem Potsdam nach Einschätzung des Rechnungsprüfungsamtes ein Schaden in Millionenhöhe entstanden war, äußerte sich Platzeck nicht.

Die CDU-Oppositionsführerin Saskia Ludwig, die von Platzeck Aufklärung gefordert hatte, griff der Regierungschef dagegen heftig an. „Sie versinken langsam in den Schatten der Vergangenheit.“ Mit ihrem Fundamentalkurs entwerte sie die „ordentliche Arbeit der CDU in der Regierung von 1999 bis 2009“, das sei eine Bestätigung für Rot-Rot, sagte Platzeck: „Wenn Sie nicht einmal Opposition können, dann können Sie schon gar nicht mehr regieren.“

Unterdessen hat der ehemalige Chef-Rechnungsprüfer im Potsdamer Rathaus, Reinhard Stark (SPD), die vor elf Jahren festgestellten Verstöße der Stadt beim Verkauf ihrer Immobilien bestätigt. Seine Berichte, in denen er vor Veräußerungen unter Wert warnt, seien allen Stadtverordneten bekannt gewesen, betonte er. Doch denen sei wichtiger gewesen, die Grundstücke schnell zu verkaufen, denn die Haushaltslage sei prekär gewesen. „Gegen politischen Willen können die Rechnungsprüfer nichts machen.“ Über den Verkauf habe nicht Platzeck allein entschieden, sondern alle 51 Stadtverordneten. Druck der Stadtspitze auf die Rechnungsprüfer habe es nicht gegeben.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was der Stadt im Detail vorgeworfen wurde und wie die Verantwortlichen reagieren.

Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) hatte am Mittwoch vor den Stadtverordneten Stellung zu Enthüllungen des Magazins „Stern“ zu Unregelmäßigkeiten bei der Privatisierung genommen. Er wies die Vorwürfe erneut zurück: „Da ist nichts, aber auch gar nichts Unrechtmäßiges gelaufen.“ Jakobs kündigte juristische Schritte der Stadt als auch des städtischen Konzerns Pro Potsdam an: Große Mengen interner Akten seien nach außen gegeben worden; damit sei gegen die Verschwiegenheitspflicht verstoßen worden, staatsanwaltschaftliche Ermittlungen seien zwingend.

Grundlage für das dubiose Immobiliengeschäft vor elf Jahren, über das die Lokalpresse bereits 2003 berichtet hatte, bildete das Gewoba-Modell. Das Prozedere: Die Stadt verkaufte seinerzeit für mindestens 120 Millionen D-Mark Immobilien an die städtische Gewoba, die wiederum privatisierte 1050 Wohnungen, um den Kauf zu finanzieren. Die Immobilien wurden für 26,3 Millionen Euro in zwei Paketen an Semmelhaack verkauft. Aufsichtsratschef der Gewoba war damals und ist bis heute Oberbürgermeister Jakobs.

Die Rechnungsprüfer warfen der Verwaltung unter anderem vor, die Grundstückswerte nicht wie vorgeschrieben ermittelt zu haben; die damalige Pauschalbewertung wurde allerdings von der Kommunalaufsicht akzeptiert. Doch es bleiben weitere Ungereimtheiten: Jakobs sagte am Mittwoch, „EU-Richtlinien für Immobilienverkäufe gibt es nicht.“ Dabei hat die EU-Kommission bereits 1997 in einer Mitteilung im Amtsblatt vorgegeben, wie die öffentliche Hand Grundstücke veräußern soll, damit Begünstigungen ausgeschlossen sind. Auf diese Vorgaben soll das Innenministerium die Stadt hingewiesen haben. Die städtische Gewoba wählte jedoch andere Verfahren: Das erste Grundstückspaket bot sie sechs selbst ausgewählten Unternehmen an, das zweite schrieb sie mit einer Anzeige in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ aus. Die Frage, wer damals über diese Verfahrensweisen entschieden hat, beantworteten Stadt und Gewoba bisher auf Anfrage nicht.

Die Stadtverordneten fordern von Jakobs die schnelle Aufklärung der Vorwürfe. Sie sollen in einem Monat im Hauptausschuss thematisiert werden. Jakobs sagte den Stadtverordneten ausnahmsweise Akteneinsicht bei der Gewoba-Konzernmutter Pro Potsdam zu.

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