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Brandenburg: Frankfurts Bilderbibel leuchtet wieder

Das erste von drei mittelalterlichen Glasfenstern der Marienkirche kehrte nach mehr als 60 Jahren an seinen Ort zurück

Frankfurt (Oder) - Nach mehr als 60 Jahren hat Frankfurt wieder einen „Heiligen Lehrer“. So nannte man im Mittelalter die farbenprächtigen Glasfenster in Kirchen und Klöstern, die den Gläubigen Szenen aus der Bibel und Legenden von Märtyrern nahe brachten. Drei dieser leuchtenden Bildwerke schmückten auch die Frankfurter St. Marienkirche – bis sie 1941 ausgelagert und nach dem Krieg als Beute in die Sowjetunion verschleppt wurden. Gestern wurde das erste von ihnen – das „Christusfenster“ – feierlich wieder enthüllt. Elf Meter hoch, füllt es nun mit 39 nahezu vollständig erhaltenen Bildtafeln das zentrale Fenster des Hauptchores.

Allein die Wiederherstellung und der Einbau des Werkes eines unbekannten Meisters aus den Jahren um 1367 kosteten 215 000 Euro. Die Restauratorin Gerlinde Möhrle und ihre Kolleginnen haben verdunkelte Partien aufgehellt und durch Auftrag von Spezialwachs dafür gesorgt, dass die Scheiben ihre Leuchtkraft auch künftig bewahren. Wo Glas zerbrochen war, wurde es sorgsam gekittet, zum Teil wurden auch neue Bleistege eingezogen.

Die drei Marienfenster waren erst Anfang der 90er Jahre in Sankt Petersburg wiederaufgefunden worden. Der Rückführung gingen zähe Verhandlungen mit der russischen Regierung voran, die im Juni 2002 zum Erfolg führten. Die Einlagerung in der Eremitage unter quasi musealen Bedingungen hat den Fenstern offenbar nicht geschadet. Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), der mit dem halben Kabinett nach Frankfurt gekommen war, dankte allen, die an diesem „Akt der Völkerverständigung“ mitgewirkt und dieses Wunder vollbracht hätten. Das Herz der Stadt schlage wieder. Knut Nevermann, Ministerialdirektor bei der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien, wies darauf hin, die Fenster seien „das bisher größte und einzige Rückgabeprojekt, das uns gelungen ist“. Es werde ein langer Prozess sein, bis weitere Stücke der so genannten Beutekunst aus Russland zurückgeführt werden könnten.

In Frankfurt indes wird bereits an der Restaurierung auch der beiden anderen Fenster gearbeitet. Im nächsten Jahr wird nach Angaben von Oberbürgermeister Martin Patzelt (CDU) auch das so genannte Antichrist-Fenster in den Kirchenchor eingefügt – mit seiner Darstellung der Antichrist-Legende eine kunstgeschichtliche Einzigartigkeit. Als letztes kommt dann das Schöpfungsfenster mit der Darstellung der Genesis dran, und wenn alles nach Plan geht, hat Sankt Marien in zwei Jahren seine gläserne Bilderbibel wieder zurück. Damit die 116 Scheiben, aus denen die drei Fenster gebildet sind, keinen Schaden nehmen durch Feuchtigkeit, Frost oder etwa Steinwürfe, bekommen sie eine vom Betrachter kaum wahrnehmbare Schutzverglasung, die auch der Bildung von Kondenswasser und Ablagerungen vorbeugt.

Insgesamt betragen die Kosten für Restaurierung und Einbau der Fenster sowie Arbeiten im Chorbereich 3,1 Millionen Euro. Diese Summe setzt sich aus Bundes- und Landesmitteln sowie aus kommunalen Zuschüssen und Spenden aus der Bevölkerung zusammen. Beteiligt sind auch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt und die Ostdeutsche Sparkassenstiftung. Letztere legt zu jedem Spenden-Euro zwei weitere dazu. Und Matthias Platzeck sparte nicht an Lob für die „segensreiche Kraft bürgerlichen Engagements“.

Die Marienkirche in Frankfurt (Oder) – zur Zeit noch eine große Baustelle mit Gerüsten darin – kann am heutigen Sonntag ausnahmsweise von 10 bis 18 Uhr besichtigt werden. Die üblichen Öffnungszeiten sind Montag bis Freitag von 10 bis 17 Uhr, Sonnabend und Sonntag von 13 bis 17 Uhr. Im Verlag Das Neue Berlin ist ein Buch erschienen, das die Geschichte und Aussage, die Heimkehr und Restaurierung der Marienfenster schildert und jedes Feld vorstellt (Frank Mangelsdorf: „Der gläserne Schatz“, 200 Seiten mit zahlreichen Abbildungen, 19,90 Euro.)

Helmut Caspar

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