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Brandenburg: Freikauf von der Vergangenheit

Das Grundsatzurteil zur Rückgabe jüdischer Grundstücke in Teltow beunruhigt viele Bewohner nicht: Sie haben für ihr Bleiberecht längst bezahlt

Teltow. Traute Herrmann schlüpft aus ihrem Häuschen. Es ist schon dunkel, und eigentlich will sie gar nichts mehr sagen zu dieser „bösen Geschichte“. Früher hat sie als Sprecherin der Bürgerinitiative Teltow-Seehof bis hinauf zum „Spiegel“ Interviews gegeben und selbstbewusst die Verfolgung der jüdischen Familie Sabersky unter den Nazis angezweifelt. Jetzt will sie nicht mehr kämpfen. Vor einiger Zeit hat sie sich „losgekauft“ vom Rückübertragungsanspruch, der auf ihrem Grundstück lastete. Nicht weil sie ein Einsehen gehabt hätte, sondern weil sie schwer krank war, sagt sie.

Der jahrelang Streit um ihren Grundbesitz hat die Bewohner des Teltower Ortsteils Seehof zermürbt. Vor ein paar Tagen hat auch noch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gegen sie entschieden. Die Erben der jüdischen Grundbesitzerfamilie Sabersky, die einst vor den Nazis aus Deutschland geflohen ist, hätten grundsätzlich ein Recht auf Rückübertragung ihres Eigentums, erklärten die Richter. Was „grundsätzlich“ bedeutet, muss nun wiederum vom Verwaltungsgericht Potsdam in jedem Einzelfall beantwortet werden. Die Potsdamer Richter hatten zuvor in mehreren Verfahren den Seehofern Recht gegeben.

Teltow-Seehof ist einer der größten und kompliziertesten Restitutionsfälle in Ostdeutschland. Betroffen sind rund 1500 Siedlerparzellen auf dem Land des ehemaligen Gutshofes Seehof. Dieses Land gehörte den Brüdern Max und Albert Sabersky. Sie begannen in den 30 Jahren mit dem Verkauf an Siedler. Strittig ist, wie stark sie dabei unter den Druck der Nationalsozialisten gerieten. Klar ist bisher nur: Bis zum Krieg wurden rund 1000 Grundstücke verkauft. Ob die Saberskys über den Erlös tatsächlich verfügen konnten, ist allerdings ungewiss.

Um Baurecht zu erhalten, mussten die Saberskys einen Teil des Landes an die Gemeinde abtreten. In der DDR wurde auch dieses Gemeindeland parzelliert und an Siedler weitergereicht. Einige kauften ihre Grundstücke, andere nutzten sie nur. Die Rechtslage ist in jedem Einzelfall anders. Von ursprünglich 1500 strittigen Grundstücksfragen ist rund die Hälfte noch übrig. Die meisten Seehofer haben wie Traute Herrmann eine pauschale Summe gezahlt, um endlich Rechtssicherheit zu haben, also Kredite und Hypotheken aufnehmen zu können. Die Sabersky-Erben hatten ursprünglich 5 Mark pro Quadratmeter als symbolisches Entgelt angeboten. Dieser Freundschaftspreis ist inzwischen auf rund 7 Euro angestiegen.

Reden will in Seehof kaum jemand. Viel böses Blut ist geflossen. „Wer nicht zahlt, gilt doch schon als Antisemit“, sagt Traute Herrmann. Die Sache sei politisiert worden.

Elfriede Jenk (Name geändert) hat im vergangenen Jahr gezahlt. „Wir haben das Haus vor 30 Jahren selbst gebaut und unser ganzes Geld reingesteckt.“ Als sie ihre Parzelle in der Wendezeit kauften, wurde ihnen der wegen des Rückübertragungspruches der Grundbucheintrag verwehrt. Mit den Jahren habe sie die Situation „ganz krank“ gemacht, also bezahlten sie schweren Herzens 5000 Euro an die jüdischen Erben. „Lösegeld“, wie Frau Jenk sagt.

Lars Spallek wohnt seit acht Jahren in einem heruntergekommenen Haus aus den 30er Jahren, das bisher der Stadt gehörte. 300 Euro kalt zahlt er für 80 Quadratmeter Wohnraum und 3000 Quadratmeter Garten. „Ein Paradies“, sagt er, wenn auch ein baufälliges. Gern würde er seine Schwiegereltern ins leer stehende Erdgeschoss holen, aber solange die Eigentumsverhältnisse ungeklärt sind, wird am Haus nichts gemacht. Von den juristischen Scharmützeln um die jüdischen Erben bekommt er kaum etwas mit.

Die Max-Sabersky-Allee ist wegen der vielen unterschiedlichen Rechtssituationen ein architektonisches Panoptikum. Wo Land rückübertragen wurde, stehen luxuriöse Mehrfamilienhäuser mit Tiefgarage, frisch renovierte Herrenhäuser oder Traumhäuser mit Ziergarten wie aus der ARD-Glücksspirale, gesichert per Videoüberwachung. Daneben Eigenbau-Datschen, Billig-Bungalows oder blätternde Altbau-Fassaden samt umwucherten Bretterbuden. Hier stehen die Türen meist offen. Es gibt keine Klingeln, aber noch ein paar versprengte Mieter.

Schließlich findet sich doch noch eine tapfere Hausbesitzerin, die bisher kein Geld gezahlt hat. „Es garantiert uns ja keiner, dass die Geschichte damit aus der Welt ist“, sagt Ernie Junker. Ihr Mann hat das Grundstück in der DDR gekauft, einen sauberen Grundbucheintrag dafür bekommen und überhaupt viel Geduld. „Wir warten mal ab. Wir fühlen uns auf der sicheren Seite. Nach uns die Sintflut.“

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