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Auf dem Steg. Das Wasser ist der perfekte Ort, um einen Sommertag oder lauen Abend zu verbringen.

© Kitty Kleist-Heinrich

Freizeitkapitäne: Alkohol am Ruder

Wer betrunken auf den Gewässern unterwegs ist, muss selten mit Strafe rechnen. Zumindest schreibt die Polizei kaum Anzeigen.

Berlin/Potsdam - Nackte Oberkörper, die Gruppe grölt, dazu wummernde Techno- Bässe – so gesehen am vorigen Wochenende auf der Spree. Die Freizeitkapitäne schipperten am Ufer des Treptower Parks entlang, bevor sie anlegten, um dann von Deck zu torkeln: Zum Bootsfahren reichte es offensichtlich noch.

Im Sommer und Frühling, besonders zu Feiertagen wie Himmelfahrt oder Pfingsten, sieht man sie oft auf Flüssen und Seen: Sportboote und Partyflöße, der perfekte Ort, um abzuschalten. Jedenfalls solange die Freizeitkapitäne nüchtern genug sind, ihre Gefährte zu steuern und sie wieder in den Hafen zu bringen.

Wilfried Neumeyer, Geschäftsführer von „Spree Safari“, kann ein Lied von den beschwipsten Hobbymatrosen singen. In seinem Bootsverleih nahe Woltersdorf vermietet er Kanus, Partyflöße und Motorboote – führerscheinlos. Schon oft bekam Neumeyer seine Boote ramponiert zurück. Einmal sei sogar einer der auf Deck aufgebauten Pavillons abgerissen worden. „Die konnten nicht mehr einschätzen, wie hoch die Brücke war“, sagt Neumeyer.

Auch deshalb hat der Bootsverleiher seine Regeln verschärft. Am Himmelfahrtstag war bei ihm Alkohol an Deck komplett verboten. Und an anderen Tagen müssen von den bis zu zwölf Personen, die auf ein Floß passen, mindestens drei komplett nüchtern bleiben – zumindest steht das im Mietvertrag. Bisher zeigt die Vorsichtsmaßnahme Erfolg. „In diesem Jahr hat es weniger Unfälle gegeben als sonst“, sagt Neumeyer, der zur Not auch mal mit der Wasserpolizei droht. Schließlich kann er es sich nicht leisten, bei jedem Schaden die Versicherung einzuschalten. „Wenn etwas kaputt ist, dann reparier’ ich das meistens selbst. Es bringt ja nichts, mit zwölf Betrunkenen herumzudiskutieren.“

Alkohol an Bord – für viele Selbstverständlichkeit. So auch für den Potsdamer Freizeitkapitän, der auf dem Wannsee mit seinem Motorboot in die historische Fregatte „Royal Louise“ fuhr und deshalb am Dienstag vor Gericht stand. Eine Geburtstagsfeier am Abend vor der Unfalltour, wenig Schlaf und am nächsten Morgen ein Bier ließen den 50-jährigen leichtsinnig werden. „Es war ein riesiger Fehler, aber ich musste mal“, gestand der Mann, der sein Boot auf Autopilot stellte und unter Deck verschwand, um sein Geschäft zu verrichten. Führerlos und mit etwa neun Stundenkilometern fuhr das Boot fünf Minuten lang in Richtung Pfaueninsel – und kollidierte. Doch der Mann hatte Glück im Unglück: Nur der Schiffsführer der „Royal Louise“ war unter Deck, alle anderen waren beim Gottesdienst vor der Sacrower Heilandskirche. „Er traf eine stabile Stelle“, sagte ein Zeuge. Verletzte gab es nicht, allerdings entstand ein Sachschaden von 10 200 Euro. „Es hätte noch viel Schlimmeres passieren können“, hielt der Richter dem Freizeitkapitän vor und verurteilte ihn zu 7200 Euro Geldstrafe. Dieser nahm das Urteil mit gesenktem Kopf hin. Er ist ein Mann ohne Vorstrafen, aber voller Reue.

Jürgen Loch sieht sich durch solche Vorfälle bestätigt. Der Geschäftsführer der Stern und Kreisschifffahrt warnt: „Betrunkene Freizeitkapitäne gefährden die Sicherheit.“ Bisher habe es zwar keinen Unfall mit einem der Schiffe aus seiner Flotte gegeben. Doch wenn etwas passiert, dann sei „das wie mit Kindern im Straßenverkehr“. In der Regel müssen sich auch die Berufsschiffer verantworten. Den Freizeitkapitänen werde zugute gehalten, dass sie sich nicht ständig auf dem Wasser bewegten. Selbst bei Trunkenheit drohe allenfalls eine Mitschuld.

Dabei schreibt die Binnenschifffahrtsordnung, die für Bundeswasserstraßen und auch die meisten Seen gilt, ganz genau die Regeln vor: Mit mehr als 0,5 Promille ist es strikt verboten, ein Schiff zu führen – das schließt übrigens auch die Crew ein. Verstöße gegen diese Regelung können dazu führen, dass der Sportbootführerschein eingezogen und das Boot von der Polizei sichergestellt wird. Ab 1,1 Promille droht sogar ein Strafverfahren; in Berliner Gewässern gab es davon in diesem Jahr elf. In neun Fällen waren Kapitäne mit mehr als 0,5 Promille unterwegs – zwei dieser Ordnungswidrigkeiten wurden Himmelfahrt geschrieben.

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