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Brandenburg: Gasexplosion: Fünf Menschen sterben

Das Haus in der Beeskower Straße 221 sieht aus wie ein Schutthaufen. Im Erdgeschoss sind die Wände fast völlig weggesprengt.

Das Haus in der Beeskower Straße 221 sieht aus wie ein Schutthaufen. Im Erdgeschoss sind die Wände fast völlig weggesprengt. Im ersten Stock weht eine Gardine im Wind, und aus der Mauer hängen Kabel heraus. Durch ein metergroßes Loch in der Wand ist ein Wohnzimmer mit Sofa und Bücherregal zu erkennen. Nicht einmal die Kriminalisten dürfen in das Trümmerhaus. Der Polizeieinsatzleiter, Siegbert Schmidt, zeigt auf eine übrig gebliebene Ecke aus gemauerten Backsteinen, die gefährlich schief steht: "Es könnte jeden Moment einstürzen", sagt er.

Fünf Menschen hat die schwere Gasexplosion in Schönfließ, einem dörflichen Vorort von Eisenhüttenstadt, in den Tod gerissen. Es ist das erste Mal nach sechs Jahren, dass Brandenburg wieder Todesopfer durch eine Gasexplosion beklagen muss. Zwölf Stunden nach der Explosion vom Montagabend liegen immer noch überall Glassplitter auf der Beeskower Straße, und das Auto der "Odergas", in dem zwei Bauarbeiter gekommen waren, steht demoliert in einer Seitenstraße.

Annett Geike war am Montag bis kurz vor Mitternacht vor Ort, nun steht sie wieder da. Die Explosion hat sie am Abend aus dem Haus getrieben. "Es war ein ziemlicher Rummel gewesen, Feuerwehr, Notarzt, ist ja alles rumgerannt hier", berichtet sie. Im gegenüber liegenden Gasthaus zur Sonne habe es eine Geburtstagsfeier gegeben.

Nach dem Knall war ein Gast rausgerannt, um in den Trümmern nach Verschütteten zu suchen. "Dann kam eine zweite Hand hervor, aber es hat noch mal Puff gemacht, und er ist wieder weggerannt", erzählt die Augenzeugin über den vergeblichen Rettungsversuch. Die Familie, die in dem weiß getünchten Haus aus der Jahrhundertwende lebt, war nicht zu Hause, als ihr Heim in die Luft flog. "Mein Nachbar sagte, so viel Glück habe ich in meinem Leben noch nicht gehabt", berichtet Anwohner Wolfgang Kleemann. Die Familie sei nun bei Freunden untergekommen. Der 63-jährige Kleemann wohnt nebenan. Sein Haus ist vollkommen unbeschädigt. "Die Druckwelle ging nach vorne, zur Straße weg", sagte er. Nach dem Knall sei er auf die Straße gerannt.

Bernd Rothe kämpft am Dienstag mit den Tränen, als er vor einem Dutzend Kameras über die Katastrophe spricht. Der Geschäftsführer der Stadtwerke hat zwei seiner besten Mitarbeiter verloren. Einen 49-Jährigen, der als Erster in die Beeskower Straße, Ecke Müllroser Straße geeilt war, nachdem ein Anrufer am Montag gegen 18 Uhr starken Gasgeruch gemeldet hatte. Und einen 56-jährigen Kollegen, der seit mehr als dreißig Jahren bei den Stadtwerken arbeitete.

Außer den beiden Stadtwerkern starben zwei Mitarbeiter der Firma "Rohrleitungsbau Oder-Spree" (ROS) und ein 25-jähriger Mann aus der Nachbarschaft. Als dessen Vater wenige Minuten später an den Unglücksort kam, waren Anwohner schon dabei, die Opfer aus dem Schuttberg zu graben. "Wo ist mein Sohn?", schrie er und musste von der Unglücksstelle weggebracht werden.

"Es ist furchtbar was die Stadt ereilt hat", sagt Jürgen Schröter, Landrat des Kreises Oder-Spree gestern Nachmittag. Den Verlauf der Tragödie beschreibt er so: Nach dem Anruf seien die beiden Experten der Stadtwerke mit Messgeräten zu der belebten Straßenkreuzung gefahren. Als die Geräte eine stark erhöhte Gaskonzentration anzeigten, sei sofort nach der Ursache geforscht worden. Auch habe man ROS-Fachleute zu Hilfe gerufen. "Wir wissen bisher nur, dass die Gasleitung eine defekte Stelle gehabt haben muss", sagt der Landrat. Um 20 Uhr 45 war bereits ein Stück Gehweg ausgeschachtet, als es zu einer Detonation kam. Feuer brach aus, ein Nachbar kam herbeigelaufen, "er wollte wohl seine Hilfe anbieten". Zwei weitere schwere Explosionen kurz darauf wurden ihm offenbar zum Verhängnis.

Nun lösten Feuerwehr und Polizei Großalarm aus. Als die Löschmannschaften nach wenigen Minuten eintrafen, fanden sie ein fast völlig zerstörtes Gebäude vor. "Wir mussten warten, bis die Flammen kleiner wurden. Es macht keinen Sinn, da mit dem Wasserschlauch draufzuhalten", sagt Kreisbrandmeister Joachim Emmerling. Er weiß, "dass die Gasleitungen zuvor fachmännisch abgequetscht sowie zusätzliche Schutzrohre gelegt worden waren". Vermutlich sei das Gas außerhalb des Hauses ausgeströmt. Ein anderer Experte der Feuerwehr erklärt, dass selbst ein großes Leck im Freien relativ harmlos sei, weil sich das Gas dort schnell verflüchtigen könne. Gefährlich sei es dagegen, wenn es sich im Schacht sammele. Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) und Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) versprachen den Angehörigen am Explosionsort "jede nur mögliche Hilfe". Die Frage, warum die Gasversorgung der gesamten Umgebung nicht rechtzeitig vor den Explosionen abgestellt worden war, konnte oder wollte gestern niemand beantworten.

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