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Brandenburg: Generalstaatsanwalt kritisiert Initiative gegen rechte Gewalt Rautenberg: Verein „Opferperspektive“ übertreibt

die Zahl der Taten und behindert Ermittlungen

Potsdam - Brandenburgs Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg hat dem Potsdamer Verein „Opferperspektive“, der eine Liste rechtsextremistischer Angriffe im Land führt, „Fehlmeldungen“ vorgeworfen. In einem Schreiben an den Verein, das dem Tagesspiegel vorliegt, rügte Rautenberg „zuweilen leichtfertige Einordnung von Sachverhalten als rechtsextremistische oder fremdenfeindliche Taten durch die Opferperspektive“. Nach Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft hätten sich einige von dem Verein im Internet aufgelistete Straftaten „als nicht rechtsextremistisch oder fremdenfeindlich motiviert herausgestellt“. Für 2005 hat der Verein 128 rechte Angriffe gemeldet, das Landeskriminalamt (LKA) lediglich 97.

Rautenberg äußerte die Sorge, dass der mehrfach ausgezeichnete Verein „nicht immer im Interesse einer gemeinsamen Front gegen den Rechtsextremismus agiert“. Der Verein habe wiederholt hervorgehoben, dass die von den Strafverfolgungsbehörden registrierte Zahl der Gewalttaten mit rechtsextremistischem oder fremdenfeindlichem Hintergrund hinter der selbst festgestellten Zahl zurückbleibe. Dadurch werde bewusst oder unbewusst der Anschein erweckt, die Strafverfolgungsbehörden würden diese Taten nicht mit der gebotenen Sorgfalt verfolgen. Dagegen verwahre er sich entschieden.

Rautenberg nannte in seinem Schreiben ein Beispiel: So berichtete der Verein über eine Schülerin, die in Templin (Uckermark) von einem 14-jährigen Rechten bedroht worden sein soll: „Na Zecke, willst du eine neue Frisur?“ Der Junge habe ihr dann ein brennendes Feuerzeug an die Haare gehalten. Nähere Angaben, auch die Nennung des Namens des Mädchens, habe die Opferperspektive gegenüber der Polizei abgelehnt, was die Ermittlungen erschwert habe. Am Ende seien weder „politisch motivierte Umstände“ noch die Bedrohung festgestellt worden.

Die Einordnung solcher Vorfälle geschehe offenbar „nach subjektiver Einschätzung einzelner Mitarbeiter der Opferperspektive“, kritisierte Rautenberg. Dies diene weder den Belangen wirklicher Opfer rechtsextremistischer Umtriebe, noch sei es ein sachgerechter Umgang mit einer ernst zu nehmenden Kriminalitätserscheinung. Besonders ärgerlich sei es, wenn durch solche „Fehlmeldungen“ und durch mangelnde Kooperationsbereitschaft der Opferperspektive „die ohnehin knappen personellen Ressourcen der Ermittlungsbehörden in nicht unerheblichem Maße gebunden werden“ und für die Verfolgung anderer Straftaten nicht zur Verfügung stehen.

Rautenberg betonte ausdrücklich, dass er die vom Verein „geleistete Arbeit mit den Opfern sehr schätze“, sich stets für dessen finanzielle Förderung eingesetzt habe und dies auch künftig beabsichtige. Doch „der Umgang miteinander“ müsse sich ändern.

Die Opferperspektive wollte sich zur Kritik Rautenbergs nicht öffentlich äußern und sprach von „Missverständnissen“. Im Internet betont der Verein, dass er im Gegensatz zum LKA zusätzlich auch „Bedrohungen, Nötigungen und Sachbeschädigungen“ erfasse.

Der Verein steht derzeit im Blickfeld, weil seine künftige Finanzierung unklar ist. Die Förderung als „Modellprojekt“ mit 200 000 Euro jährlich durch den Bund läuft nach Angaben des Vereins 2006 aus. Das Landesjustizministerium, das 30 000 Euro dazu gegeben hat, sieht keine Möglichkeit zur Aufstockung und hofft auf Fortsetzung der Bundeshilfe.

Michael Mara

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