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Hugh Hefner 1999 mit seinen Playmates.

© dpa

Hugh Hefner: Sexismus? Na klar!

Der Playboy-Gründer ist mit 91 Jahren gestorben. Sein Leben galt der Aufklärung. In jeder Beziehung. Ein Nachruf.

Das Einfachste vorweg: Na klar ist das sexistisch. Halbnackte junge Frauen mit Hasenohren und Puschelschwanz um sich zu scharen, dem Mann als dessen Accessoire stets zu Diensten – oder sie völlig nackt als Aufklappbild für den Spind abzudrucken, sich am Strand räkelnd, auf Hochglanz. Was soll das sonst sein? Die Playmates für den Playboy, die Spielmädchen für den Spieljungen. Da gibt's doch gar keine Diskussion.

Aber ach, diese Widersprüche! Zu einer Zeit, als Amerika noch hyperprüde war, puritanisch und sittenstreng, streitet Hugh Hefner im „Playboy“ schon für Verhütungsmittel, das Recht auf Abtreibung, die Legalisierung von Marihuana, die Redefreiheit und gegen jede Art von Zensur sowie eine Reihe von repressiven Sexualgesetzen. Er zeigt Nacktheit, als dies verpönt war. Er legt sich mit der Kirche und den Konservativen an. Er veröffentlicht Interviews mit Jimmy Carter, Bertrand Russell, Jean-Paul Sartre und Malcolm X. Er lässt Saul Bellow für sein Magazin schreiben, Vladimir Nabokov, James Baldwin, John Updike, Norman Mailer und Joyce Carol Oates. Er thematisiert Aids, als die Krankheit für andere Medien noch tabu war. Auch Selbstbefriedigung und lesbische Liebe werden gezeigt.

Feministinnen wittern dahinter einen Trick: Das sind nur Feigenblätter, die die Schamlosigkeit der diskriminierenden Frauenbilder überdecken sollen. In einer Fernsehtalkshow wirft eine von ihnen Hefner vor: „Sie betrachten Frauen als Sex-Objekte, nicht als vollwertige menschliche Wesen.“ Und sie fragt, wann sich der Playboy-Gründer denn selbst mit einem Puschelschwanz an seinem Hinterteil zeigt.

Hefner wehrt sich fast rührend naiv. Sein Magazin werbe für eine romantische Beziehung der Geschlechter, schreibt er, für eine „neue moralische Aufrichtigkeit, in der sich Körper, Geist und Seele des Mannes in Harmonie miteinander befinden und nicht im Konflikt“.

Im Visier der Rechten

Ganz von rechts wiederum drischt die Meese-Kommission auf Hefner ein, benannt nach Ronald Reagans knallhartem Justizminister Edwin Meese. Sie will jede Art von Sexualität und Pornographie verbannen. Der „Playboy“ bezeichnet die Kampagne als „Sexual McCarthyism“.

Verstärkt wird der Druck von der Drogenpolizei, die bei „Hef“ immer wieder Haschisch oder Kokain vermuten. Es gibt Parallelen zu Larry Flynt, dem Verleger und Herausgeber des Pornomagazins „Hustler“, auch der ein Gejagter und Verfemter. Aber die Dimensionen sind andere. Hefner verhält sich zu Flynt in etwa wie die Beatles zu den Rolling Stones. „Let it be“, singen die einen, „Let it bleed“ die anderen.

Die erste Ausgabe des „Playboy“ erscheint im Dezember 1953. Weder Datum noch Jahr sind allerdings auf der Titelseite vermerkt, weil der damals 27-jährige Hefner nicht wusste, ob es jemals eine zweite Ausgabe geben würde. Das Heft kostet 50 Cent, die gedruckten 51.000 Exemplare sind rasch vergriffen. Im Editorial heißt es: „Wenn Sie ein Mann sind, der Unterhaltung mit einer Spur Humor, gehobenem Anspruch und Würze mag, dann ist der Playboy für Sie bestimmt.“

In demselben Text beschreibt Hefner das Lebensgefühl der Männer, die er mit seinem Magazin ansprechen will, so: „Wir mixen uns gerne einen oder auch zwei Cocktails zu einem Hors d'oeuvre, legen dazu stimmungsvolle Musik auf und laden uns eine weibliche Person ein, um mit ihr ruhig über Picasso, Nietzsche, Jazz und Sex zu diskutieren.“ Mit diesem snobistisch-soften Machoton trifft der Playboy offenbar einen Nerv. „Wir erwarten nicht, irgendwelche Weltprobleme zu lösen“, heißt es weiter, „und wir wollen auch keine großen moralischen Wahrheiten beweisen".

Schon die erste Ausgabe, finanziert mit einem Kredit und geliehenem Geld von seiner Mutter, wird zur Legende. Die Titelseite präsentiert ein recht freizügiges Foto der noch jungen Schauspielerin Marilyn Monroe. In der Mitte des Heftes ist sie dann ganz nackt zu sehen. Die Fotos hatte Hefner für 500 Dollar von einem kleinen Verlag für erotische Kalender gekauft.

Aus der Legende wird rasch ein Imperium. Innerhalb eines Jahres klettert die Auflage des Herrenmagazins auf 200.000, zwei Jahrzehnte später hat es sieben Millionen Leser. Der Playboy – die Sexpostille mit gehobenen Ansprüchen – expandiert mit Ablegern in zahlreichen Ländern, der Hase hoppelt durch die Welt. Playboy-Clubs werden gegründet, Pyjama-Partys und Festivals veranstaltet, es entstehen Filme und Fernsehsendungen. Und längst ist der Verleger ein Multimillionär. Heute wird der Wert seines Unternehmens auf eine halbe Milliarde Dollar geschätzt.

Arbeiten und Partys feiern

Hefner arbeitet zunächst wie ein Besessener, nimmt Aufputschmittel, trinkt literweise Cola. Sein Arbeitsplatz ist ein großes, rundes, vibrierendes Bett. Immer stärker nimmt seine Persönlichkeit Züge jener Welt an, die er propagiert. In seiner sagenumwobenen „Playboy Mansion“ bei Los Angeles feiert er ausschweifende Partys, hat nach eigenen Angaben mit mehr als tausend Frauen Sex. Zu seinen Gästen zählen andere Lebemänner wie Tony Curtis und Mick Jagger. Als charmant und etwas schüchtern beschreiben ihn Freunde. Zu seinen eher extravaganten Markenzeichen gehören Seidenpyjamas und samtene Morgenröcke.

Die Schock-Wirkung, die von Hefners „Playboy“ lange Zeit ausging, lässt sich mit gegenwärtigen Maßstäben kaum erklären. Die Inflationierung des Sexuellen hat zu dessen Trivialisierung geführt. Und wer einmal über einen FKK-Strand gegangen ist, weiß: Die meisten Menschen sind bekleidet erotischer als nackt. Außerdem lassen sich über das Internet Sex-Bilder jeder Art mit zwei Klicks aufrufen.

Aber damals, in den fünfziger, sechziger und frühen siebziger Jahren, bedeutete die öffentliche Darstellung von Nacktheit eine Revolution. Die Bilder selbst waren überwiegend steril und unschuldig. Doch Nacktes wurde mit Sündhaftem konnotiert. Für die Meese-Kommission führte Pornographie unmittelbar zum Verbrechen.

Hefner wächst in Chicago als Lehrerkind auf, seine Eltern sind strenge Methodisten. Sowohl körperlich als auch emotional habe es in seiner Familie sehr wenig Kontakt gegeben, sagte er später. Stattdessen habe Wasch- und Putzzwang geherrscht, eine Mysophobie – eine ausgeprägte Angst vor Keimen, Bakterien und Viren. Mit 23 Jahren heiratet Hefner seine Kommilitonin Mildred Williams, sie ist die erste Frau, mit der er Sex hat. Als sie ihm später erzählt, schon vor ihm eine Affäre gehabt zu haben, war das „die erschütterndste Erfahrung meines Lebens“, wie er fünfzig Jahre danach bekennt. Das Paar hat zwei Kinder zusammen, 1959 wird die Ehe geschieden. #

Bestattung neben Marilyn Monroe

„Die Ehe ist der Tod der Hoffnung“, soll Woody Allen gesagt haben. Jedenfalls zitiert Hefner diesen Satz gern, um sein späteres, eher polyamoröses Liebesleben zu rechtfertigen. 1989 heiratet er trotzdem wieder, diesmal ist es ein Playmate des Jahres, Kimberley Conrad, auch mit ihr hat er zwei Kinder. 1989 trennen sie sich, die Scheidung wird allerdings erst 2009 eingereicht. Zwei weitere Kinder gehen aus nichtehelichen Verbindungen hervor.

Von 1998 bis 2005 lebt Hefner mit sieben Frauen im Alter von 18 bis 28 Jahren zusammen. Dann reduziert er die Zahl auf drei. Sie sind auch die Hauptdarstellerinnen der Fernsehserie „The Girls of the Playboy Mansion“, die in der Villa des Herrschers über die Hasen gedreht wird. Nebenbei macht Hefner Reklame für Viagra: „Nichts kommt näher an einen Jungbrunnen heran.“ Zum letzten Mal heiratet er am Silvesterabend des Jahres 2012 – das Model Crystal Harris ist 60Jahre jünger als er.

Wie es begann, so soll es enden. Im Alter von 91Jahren starb Hefner jetzt „im Kreise seiner Lieben“ friedlich und unter natürlich Umständen, wie das Unternehmen Playboy Enterprises mitteilte. Bestattet werden möchte er auf einem Friedhof in Los Angeles direkt neben Marilyn Monroe. Dort hat er sich beizeiten ein Mausoleum gekauft. Denn: „Wer will nicht bis in alle Ewigkeit neben Marilyn liegen?“

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