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Brandenburg: Gesetze fehlen – und Sensibilität

Sandra Dassler

Dass Kinder von ihren Eltern getötet werden, ist furchtbar. Dass mancher Fall hätte verhindert werden können, wenn Behörden ihre Verantwortung ernst(er) genommen hätten, ist eine Tragödie. Zwei Prozesse, die letzte Woche begannen, rücken dies schmerzhaft ins Bewusstsein: Der Vater von drei der fünf Kinder, die deren psychisch kranke Mutter im schleswig-holsteinischen Darry offenbar im Wahn tötete, hatte dem sozialpsychiatrischen Dienst ein Tonband mit Dämonenfantasien der Frau übergeben, um auf ihren Zustand hinzuweisen. Das war vier Monate vor der Tat. Niemand hat sich das Band angehört.

Die 20-jährige Mutter des in Frankfurt (Oder) verhungerten Florian war als Teenager vom Jugendamt wegen ihrer Labilität betreut worden. In den Berichten war von Depressionen die Rede. Doch als die junge Frau 18 wurde, war für das Jugendamt der Fall erledigt. Völlig zu Recht hat die Deutsche Kinderhilfe kritisiert, dass für Jugendliche zuständige Stellen nicht mit jenen kommunizieren, die junge Mütter betreuen. Man hätte wissen können, dass eine solche Frau bei eigener Mutterschaft Probleme bekommen musste. Man hätte spätestens stutzig werden müssen, als die junge Frau mit dem Baby nicht zu den Vorsorgeuntersuchungen kam.

Man hätte. Aber man musste nicht. Denn trotz Dutzender verhungerter und verdursteter Kleinkinder in den vergangenen Jahren – trotz Dennis in Cottbus, Jessica in Hamburg oder Lea-Sophie in Schwerin – gibt es noch immer keine bundesweit einheitliche gesetzliche Regelung für Pflichtuntersuchungen, die diesen Namen verdienen. Einige Länder, auch Brandenburg, gehen inzwischen eigene Wege. Das reicht aber nicht aus.

Unabhängig von verbindlichen Gesetzen muss offenbar immer und immer wieder die Sensibilität von Behörden, von Sozialarbeitern, Ärzten, Psychologen geweckt werden. Auch die von Nachbarn, Angehörigen, Freunden. Den getöteten Kindern von Darry und dem kleinen Florian von Frankfurt hilft das nicht mehr. Aber möglicherweise vielen anderen.

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