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Brandenburg: Grau, verfallen und begehrt

Das Geschäft mit Berlins Bunkern läuft gut. Manchmal kommt es dabei zu politischen Verwicklungen.

Niemand interessierte sich beim Tennisclub Weiß-Gelb Lichtenrade für den Bunker. Da war die Werkstatt drin, die Heizung, da standen die Besen und Rechen für die Sandplätze. Eines Tages kamen dann die fremden Leute, machten Fotos und stellten Fragen. Der Luftschutzbunker aus dem Zweiten Weltkrieg sollte versteigert werden. 120 Interessenten meldeten sich. Damit hatte keiner gerechnet. Weiß-Gelb ging auf Nummer sicher und nutzte sein Vorkaufsrecht. „Wir wollten keinen Fremdnutzer in unserem Bunker“, sagt Vorstandsmitglied Gerhard Veronelli. Zwischen 15000 und 20000 Euro mussten die Tennisfreunde für den Betonkasten, den sie bisher nur gemietet hatten, auf den Tisch legen. Ein Schnäppchen, denn zum 200 Quadratmeter großen Bunker gehört ein fast 1300 Quadratmeter großes Grundstück. Bei der Versteigerung eines Luftschutzbunkers in Rudow waren im Juli 130000 Euro erzielt worden. Ein Geschäftsmann sicherte sich den Bau als einbruchsichere Lagerhalle.

Seit dem Ende des Kalten Krieges werden immer mehr Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg aus der Zivilschutzverwaltung genommen, also quasi für nutzlos erklärt. Die Oberfinanzdirektion (OFD) verkauft nun einen nach dem anderen im Auftrag des Bundes.18 Hoch- und Tiefbunker im Westteil der Stadt stehen noch auf ihrer Liste. Ihr baulicher Zustand reicht von intakt bis halb verfallen.

Käufer sind Privatleute, die sich auf dem Fundament eines Bunkers ihr Haus bauen. Bunker eignen sich auch als Probenraum für Bands, als Partykeller oder als Weindepot. In einigen gewerblich genutzten Anlagen werden Feuerwerkskörper eingelagert. Ein Bunker kann aber auch für sich stehen, als authentischer Ort, um Geschichte zu fühlen.

Authentizität ist der wichtigste Faktor zur Vermarktung der großen Bunkeranlagen in der Innenstadt, die zum größten Teil der öffentlichen Hand gehören und dauerhaft an Betreiber vermietet werden. Sie sind seit Jahren begehrte Orte für Kunstaktionen, Ausstellungen und Party-Events.

Die Zweckentfremdung eines Bunkers aus der Nazizeit kann auch zu politischen Verwicklungen führen. Für den riesigen Fichtebunker in Kreuzberg wurden schon viele Nutzungsideen entwickelt: Hotel, Bibliothek, Energiespeicher, Künstlerateliers, Jugendhotel, Fitness-Center. Realisiert wurde nichts. Jetzt will der Bund der Vertriebenen im Bunker das „Europäische Zentrum“ für die Vertriebenen einrichten – Politiker und Anwohner empören sich. Die Bunker-Nachbarn wollen den grotesken Bau als Mahnmal gegen den Krieg erhalten. Das Land Berlin will verkaufen, an wen auch immer. Dass der 1000 Quadratmeter große Bunker für Erich Honecker und seine Politbüro-Crew in der Backfabrik, Prenzlauer Allee, heute ein banaler Kellerraum zur Aktenaufbewahrung ist, darüber hat sich noch niemand aufgeregt. Allerdings weiß davon auch kaum jemand.

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