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Brandenburg: Große Koalition: Die Nervosität wächst

CDU-Landeschef und Innenminister Jörg Schönbohm betont zwar auffallend häufig sein enges Vertrauensverhältnis zu Regierungschef Manfred Stolpe (SPD). Doch ist das Klima in der großen Koalition, wie Politiker beider Parteien eingestehen, "belastet, auch wenn aus taktischen Gründen offiziell abgewiegelt wird".

CDU-Landeschef und Innenminister Jörg Schönbohm betont zwar auffallend häufig sein enges Vertrauensverhältnis zu Regierungschef Manfred Stolpe (SPD). Doch ist das Klima in der großen Koalition, wie Politiker beider Parteien eingestehen, "belastet, auch wenn aus taktischen Gründen offiziell abgewiegelt wird". In SPD und CDU heißt es, dass "Misstrauen und Nervosität wachsen".

Am Wochenende spitzte sich die Lage zu: Nachdem der SPD-Landesausschuss, das wichtigste Gremium zwischen den Parteitagen, Justizminister Schelter wegen seines Eiertanzes um einen Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit als "schwere Belastung" für die Koalition bezeichnete und Stolpe aufrief, seine Eignung für ein Ministeramt "sorgfältig zu prüfen", schlug CDU-Generalsekretär Thomas Lunacek zurück: Bei der SPD wisse eine Hand nicht, was die andere tue. Der "Mangel an Geschlossenheit" gehe auf die "Führungsschwäche" von SPD-Chef Matthias Platzeck zurück. Platzeck reagierte am Montag gelassen auf die Vorwürfe: "Lunacek muss damit leben, dass kleine Parteitage eine eigene Meinung haben." Der als Nachfolger von Ministerpräsident Stolpe geltende Platzeck sieht die Koalition nicht wirklich in Gefahr. Gleichwohl bestätigte er gegenüber dem Tagesspiegel, "dass es Probleme gibt." Dass Justizminister Schelter nicht bereit sei, einen Fehler einzuräumen, stoße nicht nur bei vielen Richtern, sondern auch in weiten Teilen der SPD auf Unverständnis. "Schelter sollte sich bei den Richtern entschuldigen, als Politiker muss man das können, auch wenn man nicht direkt verantwortlich ist", so Platzeck an die Adresse Schelters. Es sei nicht nachzuvollziehen, dass der Minister die ihm gebauten Brücken nicht betrete. Platzeck sagte weiter, Ruhe werde erst eintreten, "wenn der Minister wirklich Frieden mit den Richtern schließt". Damit stellte sich der SPD-Chef praktisch hinter die kritische Schelter-Erklärung des kleinen SPD-Parteitages.

In der CDU spricht man offiziell von einem "internen SPD-Problem": Da Regierungschef Stolpe letzte Woche im Landtag einen Rücktritt von Schelter abgelehnt habe, es auch keine neuen Erkenntnisse gebe, sei das Thema erledigt. Inoffiziell sieht man die Entwicklung jedoch durchaus mit Sorge, wie Parteisprecher Stephan Goericke bestätigte: "Entspannung in der Koalition wird verhindert." In führenden CDU-Kreisen wird nicht ausgeschlossen, dass die SPD "das Thema Schelter" am Köcheln halten wolle. Doch sei das gefährlich, weil die SPD selbst im Glashaus sitze. Die CDU habe sich bislang mit Kritik an Sozialminister Alwin Ziel (SPD) wegen des Schmökel-Skandals zurückgehalten, diese Linie habe der Landesvorstand Freitagabend auch bestätigt. Doch könne sich das, wenn die SPD so weiter mache, ändern. Eine eindeutige Warnung, die man auch so übersetzen kann: Wenn Schelter gehen muss, muss auch Ziel den Hut nehmen.

Stolpe, der sich Sonntagabend mit Fraktionschef Gunter Fritsch, Staatskanzlei-Chef Rainer Speer und Matthias Platzeck zur vertraulichen Lageberatung traf, sieht die Affären trotz offizieller Abwiegelungsversuche offenbar nicht als erledigt an. Der Ministerpräsident gehe davon aus, dass das Vertrauensverhältnis zwischen dem Ressortchef und der Richterschaft wieder hergestellt werde, er sei mit Schelter "im ständigen Gespräch", ließ Regierungssprecher Manfred Füger am Montag verlauten. Diese Äußerung Stolpes lässt den Schluss zu, dass der Justizminister gegenüber der Richterschaft aktiv werden muss. Andere Bemerkungen Stolpes lassen darauf schließen, dass dieser eine Kabinettsumbildung nicht grundsätzlich ausschließt. Er rückte die von den eigenen Genossen kritisierte Äußerung beim Empfang zu seinem 10-jährigen Amtsjubiläum jetzt gerade, in den kommenden vier Jahren werde es keine Minister-Rücktritte mehr geben, weil das Soll erfüllt sei. Sie sei etwa so ernst zu nehmen, wie der Satz, er wolle wie seine preußischen Vorbilder 40 Jahre lang regieren.

"Entscheidend wird sein, ob in der nächsten Zeit wieder Ruhe einkehrt", heißt es in SPD-Vorstandskreisen. Wenn nicht, werde Stolpe handeln müssen. Mit einer Kabinettsumbildung im nächsten Jahr könnte Stolpe "in die Offensive kommen". Als "völlig abwegig" gilt im Umfeld des Regierungschefs eine in der Bundes-SPD kolportierte Variante: Dass Stolpe bei anhaltenden Konflikten alsbald zurücktreten und Platzeck ihm schon 2001 folgen könnte: Weder Stolpe noch Platzeck wollten das, dieses Szenario würde "ihnen und der SPD nur schaden".

Michael Mara

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