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Brandenburg: Große Stadt, gesundes Land

Eine Potsdamer Ausstellung geht der Geschichte der Beziehungen von „Mark und Metropole“ nach

Potsdam - Fontane-Leser kennen sie, die Ammen aus dem Spreewald. Im Berlin der Kaiserzeit gehörten sie zu den Statussymbolen gutsituierter Familien mit Kleinkindern. Zu Tausenden strömten bitterarme junge Mütter aus Südbrandenburg in die Reichshauptstadt, um dort nicht ihre eigenen, sondern Kinder von Stand aufzuziehen. Muttermilch aus dem Spreewald galt in der prosperierenden Industriemetropole als besonders gesund. Auf Julius Jacobs Gemälde „Der Wilhelmplatz im Frühling“ sind die Kindermädchen mit ihren charakteristischen sorbischen Trachten nicht zu übersehen.

Das 1886 entstandene Bild aus der Sammlung der Stiftung Stadtmuseum Berlin ist eines von etwa 500 Objekten von insgesamt 40 Leihgebern, die jetzt in der Ausstellung „Mark und Metropole“ im Potsdamer Haus der Brandenburgisch- Preußischen Geschichte zu sehen sind. „Mark und Metropole“ ist zugleich Hauptausstellung des diesjährigen Themenjahrs von Kulturland Brandenburg – unter dem beinahe gleichlautenden Motto „Provinz und Metropole. Metropole und Provinz“. Beleuchtet wird die Geschichte einer noch immer nicht ganz konfliktfreien Nachbarschaft: zwischen Berlin und dem brandenburgischen Umland, von der Reichsgründung 1871 bis heute.

Die Ausstellung will ein „Panorama einer Kulturlandschaft“ zeigen – aus den Alltagsperspektiven von Berlinern, Prignitzern und Spreewäldern. Es war Theodor Fontane, der mit seinen zwischen 1862 und 1882 erschienenen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ diese als romantisch-literarisches Thema erst entdeckte. Er sah die Berliner noch als „Märker, die zufällig in Berlin wohnten“. Doch mit der Industrialisierung, so zeigt die Ausstellung mit Dokumenten und Karten, Bildern und Fotos, aber auch vielen historischen Alltagsgegenständen, schieden sich die Lebenswelten und Erfahrungen von Berlinern und Umlandbewohnern endgültig. Da werden in der Ausstellung an zwei Hörstationen sowohl 25. 4.]musikalische Revuen der 20er Jahre vorgestellt/25. 4.] – als auch brandenburgische Dialekte.

Mark und Metropole aber profitierten auch weiterhin voneinander. Brandenburgs Bauern lieferten Obst, Gemüse, Milch; Unternehmer wie der Molkereibesitzer Carl Bolle organisierten ihren Vertrieb. Und ohne Ziegelsteine aus Rathenow oder Ofenkacheln aus Velten wäre der Bauboom der Gründerjahre so nicht möglich gewesen.

Um 1880 begann sich die Stadt rasant auszudehnen, nicht zuletzt durch Villenvororte und „Gartenstädte“, die entlang der Eisenbahnlinien aus dem märkischen Sand schossen – ohne dass sich Berlin dabei als politische Verwaltungseinheit vergrößert hätte. Die konservative brandenburgische Provinzialregierung ließ lieber die Gründung kreisfreier Städte wie Charlottenburg, Rixdorf (Neukölln) oder Lichtenberg zu, als das Wachstum der politisch unkalkulierbaren Hauptstadt. Erst 1920 schlossen sich acht Städte, 59 Landgemeinden und 27 Gutsbezirke zur Einheitsgemeinde Groß-Berlin zusammen. Damit war Berlin zur flächenmäßig zweitgrößten und von der Bewohnerzahl her – nach New York und London – zur drittgrößten Stadt der Welt geworden. „Jeder einmal in Berlin“ wirbt ein Tourismusplakat von 1928.

Besonders verschärft haben sich die typischen Großstadtprobleme Berlins dann nach dem Mauerbau. 1972 ließ sich die DDR-Regierung einen 20-Jahres-Vertrag über die Abnahme von West-Berliner Müll mit 1,25 Milliarden D-Mark vergolden. Die Westlaster, die nun pausenlos ins Berliner Umland rollten, hatten auf der Rückfahrt oft Kies oder andere Baustoffe geladen. heute bauen Berlin und Brandenburg wieder gemeinsam, auch wenn die Länderfusion 1996 vorerst gescheitert ist. Die Ausstellung schließt mit einem zukunftsstrahlenden Bild auf den Schönefelder Großflughafen BBI. Wer will, kann darin auch eine leise Ironie sehen.

Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte Potsdam, Am Neuen Markt 9. Bis 17. August, Di-Fr 10-17 Uhr, Sa/So 10-18 Uhr. Das Begleitbuch kostet 7,90 Euro. Eintritt 5 Euro, ermäßigt 4 Euro; Kombiticket mit dem Märkischen Museum Berlin 7 Euro, ermäßigt 5 Euro.

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