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Brandenburg: Grundstücks-Affäre greift auf andere Länder über Übertragungen von Bodenreformflächen

könnten in ganz Ostdeutschland nichtig sein

Von Matthias Schlegel

Potsdam/Schwerin - Die Affäre um die gesetzwidrige Aneignung von Bodenreformgrundstücken durch das Land Brandenburg droht sich auf den Bund und die anderen ostdeutschen Länder auszuweiten. So könnten auch andere Bundesländer entgegen ursprünglichen Beteuerungen bei der Inbesitznahme von Bodenreformland, bei dem keine Erben ermittelt werden konnten, gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen haben.

Grundsätzlich dreht es sich um die Frage, ob der „Auflassungsprozess“ – also der Vorgang der Inbesitznahme durch das Land – auf rechtmäßiger Basis erfolgte oder nicht. Auch in Mecklenburg-Vorpommern war das Land letztlich in das Grundbuch eingetragen worden, wenn kein Erbe auffindbar war. Der Sprecher des Schweriner Agrarministeriums Kay Schmekel sagte dem Tagesspiegel, dabei habe die für die Bodenreformgrundstücke zuständige Landgesellschaft nach ausgiebiger Prüfung der Erbverhältnisse über die Landkreise zunächst gesetzliche Vertreter bestellt. Das seien Privatpersonen, Rechtsanwälte, Gemeinden oder Ämter gewesen. Auf Nachfrage räumte er ein, dass diese gesetzlichen Vertreter „regelmäßig Auflassungen erklärt“ hätten, worauf das Land in die Grundbücher eingetragen worden sei. Eine Einbeziehung von Vormundschaftsgerichten sei in diesen Fällen nicht nötig gewesen. In Mecklenburg-Vorpommern wurde in rund 3000 Fällen auf diese Weise vorgegangen.

Juristen bezweifeln, dass dieses Vorgehen rechtsstaatlich sauber ist. Auch Brandenburgs Finanzminister Rainer Speer (SPD) hatte am Donnerstag erklärt, dass die Grundbucheintragungen nach dem jüngsten Urteil des Bundesgerichtshofs auch dann nichtig seien, wenn Anwälte oder kommunale Angestellte als gesetzliche Vertreter eingesetzt worden seien.

Auch in Sachsen wurden von den Landkreisen gesetzliche Vertreter bestellt. Eine Sprecherin des Finanzministeriums verweist darauf, dass die daraufhin erfolgten Auflassungen der Bodenreformgrundstücke auch deshalb ordnungsgemäß erfolgt seien, weil der Freistaat eine „Garantieerklärung“ abgegeben habe, im Falle späterer berechtigter Ansprüche von Erben die Grundstücke anstandslos rückabzuwickeln. Doch nach dem BGH- Urteil erscheint auch diese Begründung nicht stichhaltig: „Die Bereitschaft des Vertreters, einen dem Vertretenen durch sein Verhalten entstehenden Schaden auszugleichen, rechtfertigt das Verhalten des Vertreters gegenüber dem Vertetenen nicht“, heißt es dort.

Die Linksfraktion im Bundestag fordert von der Bundesregierung nun Auskunft darüber, inwieweit sie in die brandenburgischen Enteignungspraktiken eingeweiht war und ob auf diese unrechtmäßige Weise auch in anderen Bundesländern vorgegangen wurde. Die Fraktion will auch wissen, warum die Bundesregierung nicht dafür Sorge trug, dass eventuelle Auflassungsansprüche der neuen Bundesländer nach einem „einheitlichen und rechtkonformen Verfahren“ erfolgten.

Der Verband Deutscher Grundstücksnutzer fordert nun, alle Bodenreform-Erben gleichzustellen – egal ob sie anspruchsberechtigt sind oder nicht. „Es wäre ein Akt grober Ungleichbehandlung, verlören nun die einen die Grundstücke, weil sie als Erben bis zum Jahr 2000 bekannt waren, während die anderen aufgrund staatlicher Verfehlungen in den Stand als Eigentümer gesetzt werden.“

Klagen wegen Ungleichbehandlung räumt die Nürnberger Rechtsanwältin Beate Grün, die auch Bodenreformerben vertrat, unter rechtlichen Gesichtspunkten aber wenig Chancen ein. „Es gibt keine Gleichbehandlung im Unrecht“, sagte sie dem Tagesspiegel. Weil es faktisch dem „Zufallsprinzip“ unterlag, ob Erben gefunden wurden, könne diese Ungleichbehandlung nur auf politischem Weg geheilt werden. Matthias Schlegel

Weil die Hotline der Landesregierung für Fragen zu den Bodenreform-Grundstücken zuletzt ständig überlastet war, ist sie jetzt unter drei Telefonnummern zu erreichen: (0331) 581 81-381, -382 und -383, jeweils Mo - Do 8 - 17 Uhr und Fr 8 - 15 Uhr.

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