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Brandenburg: Hauen und Stechen am Landesrechnungshof

Vizepräsident Hülsmann soll 45 000 Euro erschlichen haben. Er spricht von Mobbing

Von Michael Mara

und Thorsten Metzner

Potsdam. Was derzeit an Brandenburgs Landesrechnungshof passiert, hat es in Deutschland noch nicht gegeben: Da zeigt Präsidentin Gisela von der Aue ihren Vizepräsidenten Arnulf Hülsmann bei der Staatsanwaltschaft wegen Betrugs „in besonders schwerem Fall“ an. Ein ungeheuerlicher Vorwurf gegen den zweithöchsten Rechnungsprüfer des Landes. Vor dem zuständigen Unterausschuss des Landtages erläuterte von der Aue, dass Hülsmann jahrelang überhöhte, sogar vorgetäuschte Reisekosten abgerechnet und Trennungsgelder unrechtmäßig kassiert habe. „Zur Zeit sei mit einem Schaden für das Land Brandenburg von bis zu 45 000 Euro zu rechnen“, so von der Aue.

Da lässt der plötzlich ins Zwielicht geratene Vizepräsident über seinen Anwalt Matthias Dombert, der selbst Richter am Landesverfassungsgericht ist, verkünden: „Disziplinierungsversuche an der Grenze zum Mobbing“ seien Hintergrund der Anzeige. Von der Aue habe schon vorher Disziplinarverfahren gegen seinen Mandanten angestrengt. Dabei gehe es um Abmeldepflichten und Kompetenzen Hülsmanns. Dazu passen anonyme Schreiben, in denen Rechnungsprüfer das schlechte Klima am Hof und den autoritären Führungsstil von der Aues beklagen: Wer offen etwas anspreche, werde zum Rapport ins Präsidentenbüro bestellt.

Aber was ist dran an den gegenseitigen Vorwürfen? Im Umfeld von der Aues heißt es, dass das „schwarze Schaf“ rein zufällig entdeckt worden sei: Im April 2002 habe man eine Rechnung der Verwaltungshochschule Speyer über 150 Euro erhalten, obwohl keine Dienstreise Hülsmanns dorthin bekannt gewesen sei. Bei Rückfragen seien Widersprüche aufgetaucht, daraufhin habe von der Aue umfangreiche, bis 1993 zurückgehende, Prüfungen eingeleitet. Das Ergebnis: „Fast keine Reisekostenabrechnung Hülsmanns hat gestimmt. Es geht um rund 200 Fälle von Manipulation.“ Als besonders schwerwiegend sieht von der Aue an, dass eine Dienstreise von Potsdam nach Frankfurt (Oder) doppelt abgerechnet wurde: Einmal beim Hof selbst, einmal bei der Justizverwaltung, für die Hülsmann im Nebenjob als Prüfer von angehenden Juristen tätig ist. Auch für eine Reise nach Düsseldorf soll Hülsmann 1998 zweimal Übernachtungs- und Fahrtkosten abgerechnet haben: Zum einen nahm er an der 50-Jahr-Feier des Rechnungshofs Nordrhein-Westfalen teil, zum anderen am Kongress „Schlanker Staat“, beides am gleichen Tag. Darüber hinaus habe sich der NRW-Aufbauhelfer 33 Dienstreisen von Potsdam nach Düsseldorf bezahlen lassen – häufig in Verbindung mit Wochenenden. Aber nur fünfmal sei das dort bestätigt worden: „Er schaute kurz vorbei.“ Und für eine Besichtigung des Kölner Doms habe er, ermittelte von der Aue, ein Trinkgeld von 250 Mark ohne Beleg abgerechnet.

Die Vorwürfe füllen dicke Ordner. Aber warum soll ausgerechnet ein penibler Prüfer wie Hülsmann (Jahresgehalt 90 000 Euro) betrogen haben? Und warum hat es ausgerechnet der Rechnungshof nicht früher bemerkt? Der Vater dreier Kinder soll, so wird am Hof kolportiert, nach der Scheidung in finanziellen Schwierigkeiten gesteckt haben. Man habe nicht früher dahinter kommen können, weil Hülsmann bis 1998 selbst für die innere Finanzkontrolle verantwortlich gewesen sei. Manche Hof-Mitarbeiter behaupten, dass „die Bombe nicht hochgegangen wäre, wenn Hülsmann sich von der Aue gefügt hätte“. Aber der Vize, der 1998 selber gern Rechnungshof-Präsident geworden wäre, hatte „immer wieder ihr Kompetenz in Frage“ gestellt: So verweigerte er mehrfach seine Zustimmung zu Prüfberichten und Initiativen von der Aues. Offenbar eskalierte die Situation: Als Hülsmann im Juni 2002 zum Vorsitzenden des Arbeitskreises Steuern aller Rechnungshöfe gewählt wurde, verweigerte von der Aue ihre Zustimmung, so dass die Wahl unwirksam wurde. Ein Novum in der Geschichte der Rechnungshöfe.

Und der Krieg geht weiter. „Beide sammeln derzeit ihre Truppen“, wissen Mitarbeiter. Beide haben das Richterdienstgericht angerufen. Die neueste Nachricht von der Front: Präsidentin von der Aue prüft, ob Hülsmann wegen unerlaubten Fehlens die Bezüge gekürzt werden können. „Sie will ihn auf Biegen und Brechen weghaben“, sagt ein Mitarbeiter. Hülsmann, Beamter auf Lebenszeit, will unbedingt bleiben: Nur wenn er zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt würde, wäre er nach dem Richtergesetz seinen Job los. Wenn nicht, könnte der Krieg noch ewig weitergehen.

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