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Brandenburg: Heißer Draht zum Hindukusch

Für sechs Monate leiten Holländer und Deutsche von Geltow aus den Einsatz der internationalen Schutztruppe für Afghanistan

Geltow. Man muss den Personalausweis abgeben und an zwei Posten mit Schnellfeuergewehren vorbei. Dabei würde der zweistöckige Bürocontainer, den sie bewachen, auf den ersten Blick auch als Außenstelle des Finanzamtes durchgehen. Aber die Mitarbeiter laufen in Tarnanzügen herum und vor der Tür wehen die Flaggen von 30 Ländern.

Das „Einsatzführungskommando“ der Bundeswehr erinnert an eine schwer bewachte Kleinstadt und liegt mitten im Wald, ein paar Kilometer südwestlich von Potsdam. Von hier aus werden sämtliche Auslandseinsätze der Bundeswehr koordiniert. Seit Mittwoch letzter Woche ist das Kommando auch für die internationale Isaf-Schutztruppe in Afghanistan verantwortlich. Für ein halbes Jahr werden Deutschland und die Niederlande die Führung der 5000 Mann starken Truppe in und um Kabul übernehmen. Alle Drähte des Einsatzes laufen hier zusammen.

Im Büro von Oberst Robert Toma hängen Karten von Kabul und Umgebung an der Wand, die aus Sicherheitsgründen nicht fotografiert werden dürfen. Der Niederländer leitet das 57-köpfige „Isaf Operations Coordination Center“ (IOCC). Anfang März will er nach Kabul fliegen, „weil man den Staub und die Kälte dort einmal selbst erlebt haben muss“. Der Oberst redet wie ein Marketingchef: „Wenn der Kunde etwas wünscht, bekommt er es.“ Der Kunde ist die Schutztruppe. Thoma ist dafür verantwortlich, dass 4000 Tonnen Ausrüstung in einer über 5000 Kilometer entfernten Wüstenei zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind: Ein Lazarett ohne Ärzte wäre ebenso fatal wie Lastwagen ohne Treibstoff oder Soldaten ohne Verpflegung. Allerdings können Lazarett und Essen direkt nach Kabul geflogen werden, während Ärzte und Soldaten von Usbekistan den Landweg nehmen müssen: In Kabul dürfen aus Sicherheitsgründen nur Frachtmaschinen und Kampfflugzeuge landen, die gegen Beschuss vom Boden geschützt sind. Die großen Transportflugzeuge müssen in Russland gemietet werden und können im Winter manchmal nicht die endlosen Berge des Hindukusch überfliegen. Dass Kabul weder Bahnanschluss noch Hafen hat, macht die Sache noch schwieriger. Und gefährlicher. Die Soldaten dürfen nur mit Panzerwesten auf die Straße gehen. Erst vor wenigen Tagen schlugen zwei Raketen in der Nähe des deutschen Lagers ein.

Der Beschuss wurde sofort nach Geltow gemeldet. Toma und seine Leute schickten alle wichtigen Informationen ans Verteidigungsministerium. „Geschwindigkeit ist das Wichtigste. Es wäre die beste Art, einen Minister wütend zu machen, wenn er etwas in der Zeitung liest, was er von uns nicht wusste“, sagt Toma. Bei größeren Ereignissen wird blitzschnell ein Krisenstab eingerichtet. Er trifft sich im Nachrichtenzentrum, einem halbdunklen, fensterlosen Raum. Hier empfangen die Militärs die Informationen von über 20 Fernmeldesystemen, bewerten sie und leiten sie weiter – eine Mischung aus CNN und Verwaltungsbehörde.

Als kurz vor Weihnachten ein deutscher Hubschrauber nahe Kabul abstürzte, traf sich der Krisenstab sofort: Ärzte mussten klären, ob und wie Verletzte transportiert werden können und ob eher ein deutscher Sanitäts-Airbus oder eine russische Antonow gebraucht werden. Ein Presseoffizier kümmerte sich um die Medien und Familienbetreuer darum, dass die Angehörigen der Opfer nicht zuerst aus dem Fernsehen von dem Unglück erfahren. Egal, was passiert: Die Militärs im Wald bei Potsdam müssen schneller sein als alle anderen.

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