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Brandenburg: Historischer Linien-Flug

Peter Gärtner machte 1990 Luftbilder entlang der Mauer – jetzt zeigt er sie

Kleinmachnow/Berlin - Die Bedingungen der „Interflug“ waren Peter Gärtner alles andere als recht. Nicht höher als 50 Meter dürfe er fliegen und nur an der Ostseite der Mauer entlang. Doch was der Kleinmachnower einst als Nachteil empfand, erwies sich als „Traum für einen jeden Filmemacher", sagt er heute. Im Frühjahr 1990, kurz bevor am 13. Juni offiziell der Abriss der Berliner Mauer begann, flog Gärtner mit einem Kamerateam in einem Mi 8 Hubschrauber der DDR-Fluggesellschaft von Potsdam bis zur Bornholmer Brücke und filmte aus nur 50 Meter Höhe die Mauer.

Mehr als 15 Jahre blieb das Material unveröffentlicht, jetzt ist der deutsch- und englischsprachige Film im Dokumentationszentrum „Berliner Mauer" zu sehen. 77 Minuten lang hat eine Kamera die Topografie des Grenzsystems vor seiner endgültigen Demontage festgehalten. Die Wiedergabe veranschaulicht die absurde Situation einer zerschnittenen Stadt an bekannten und weniger bekannten Stellen.

Es war Gärtners erste Arbeit als selbständiger Filmproduzent nach seinem Ausstieg bei der Defa. Er habe das Zusammenwachsen von Potsdam und Berlin begleiten wollen, doch zuerst sollte dokumentiert werden, was beide Städte trennte. Fernsehsender, denen er das Material anbot, schickten es zurück. Es war die Zeit, als die Bilder vom Abriss der Mauer um die Welt gingen, niemand wollte die Grenze in ihrem Bestand sehen. Gärtner wiederholte sein Angebot fünf Jahre nach dem Mauerfall und bekam erneut Absagen. Auch im 10. Jahr nach der Wende gab es in den TV-Anstalten kein Interesse an den Bildern. Als er zum 15. Jahrestag nach der Maueröffnung immer häufiger in den Zeitungen lesen konnte, dass man Spuren der Grenzanlage bewahren und an den Verlauf der Mauer erinnern müsse, fühlte sich Gärtner ermutigt: Er nahm einen Kredit auf und produzierte 3000 DVDs von seinem „Mauerflug".

„Es ist auszuschließen, dass es vergleichbares Material gibt", war Maria Nooke vom Dokumentationszentrum „Berliner Mauer" begeistert, als sie den Film zum ersten Mal sah. Manfred Fischer vom Trägerverein des Doku-Zentrums in der Bernauer Straße rühmt die „nicht zu wiederholende Arbeit, die das Tatwerkzeug der deutschen Teilung in seinen ganzen Ausmaßen zeigt". Die verordnete Flughöhe von 50 Metern empfand Gärtner später als „ ein Geschenk Gottes", nachdem er erfahren hatte, dass die Kollegen auf West-Berliner Seite eine Sondererlaubnis benötigten, um aus 200 Metern Höhe filmen zu können. Gärtners Flugaufnahmen bleiben die einzigen, die je auf der Ostseite entlang der Mauer gemacht wurden.

Der Flug beginnt am Schloss Cecilienhof, führt über die Glienicker Brücke und die Exklaven Klein-Glienicke und Steinstücken sowie über den Griebnitzsee. Die Mauer versperrt den Zugang zum Wasser. Man fliegt über den Grenzübergang Drewitz/Dreilinden, der 1969 für 50 Millionen Ost-Mark gebaut wurde und den jährlich fünf Millionen Fahrzeuge passierten. Ein kurzes Stück wird der Teltowkanal zum Wegbegleiter , ehe man in Berlin bislang nie gesehene Bilder von Dom, Potsdamer Platz oder Brandenburger Tor erblickt - im Schatten der Mauer, die im Osten schneeweiß erscheint.

Nun will Gärtner die DVD in Schulen anbieten. Der Film ist didaktisch angelegt, 35 Minuten lang und um Fakten ergänzt, die über die Bildbotschaften hinausgehen. Gärtner wird selbst für seine Arbeit werben müssen. Sein Brief an die Kultusministerkonferenz wurde freundlich beantwortet, helfen könne man ihm aber nicht. Auch im brandenburgischen Bildungsministerium „hat man keine Möglichkeit gesehen, den Film im Lehrplan unterzubringen", bedauert der Filmemacher. Dabei wissen Fachleute wie Hans-Hermann Hertle vom Potsdamer Zentrum für Zeithistorische Forschung die Bilder hoch zu schätzen. „Das Material", so der Historiker, „braucht den Vergleich mit den Bildern der Mondlandung nicht zu scheuen."

Peter Könnicke

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