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Alarmstufe eins. Die Oder - hier am Pegelhäuschen in Ratzdorf - steigt.

© ddp

Hochwasser in Brandenburg: Erste Bewährungsprobe für die Deiche

Die Vorbereitungen zur Eindämmung des Hochwassers laufen auf Hochtouren. Für die Oder wurde beim Eintritt auf Brandenburger Gebiet die erste Alarmstufe ausgelöst. Der Krisenstab nimmt seine Arbeit auf.

Ziltendorf - Am Pegelhäuschen in Ratzdorf stand die Anzeige auf 4,75 Meter, bis zur Ausrufung des Katastrophenalarms fehlt noch mehr als ein Meter. Nach Prognosen des Landesumweltamtes erreicht der Hochwasserscheitel aus Polen am Ende der Woche den oberen Oderabschnitt. Dann werden die erneuerten Deiche einer ersten Bewährungsprobe unterzogen. Weiter nördlich in der Uckermark gilt schon seit Sonnabend die Alarmstufe 1.

Am Dienstag nimmt ein Krisenstab aus Vertretern der Ministerien, der Polizei, des Technischen Hilfswerks, von Forstbetrieben und einem polnischen Beamten die Arbeit im Innenministerium auf. Er wird den möglichen Kampf gegen die Flut koordinieren. Auch die Bundeswehr, die sowohl 1997 an der Oder als auch 2002 an der Elbe die Hauptlast bei der Hochwasserabwehr trug, steht bereit. Allerdings gibt es in Brandenburg nach der Schließung zahlreicher Kasernen kaum noch größere Truppeneinheiten. Die für die Sandsackstapelei benötigten Soldaten müssten demnach vor allem aus Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern kommen.

Sie würden bei den Anrainern mit Sicherheit auf freundliche Aufnahme stoßen. Die Soldaten verhinderten 1997 beispielsweise eine Überflutung des 70 Kilometer nordöstlich Berlins gelegenen Oderbruchs mit 20 000 Einwohnern buchstäblich in letzter Sekunde und vollbrachten 2002 an der Elbe ein wahres Wunder, indem sie die beiden Brandenburger Abschnitte trocken hielten.

Den Dammbruch am 23. Juli 1997 bei Brieskow-Finkenheerd südlich von Frankfurt konnten aber auch die Soldaten nicht verhindern. Anfangs schoss an diesem Tag auf einer Breite von zunächst 70 Metern, später auf 200 Metern, das Wasser ins Hinterland. Einen Tag später brach neun Kilometer weiter bei Aurith erneut der Damm, wodurch die gesamte Ziltendorfer Niederung mit 254 Häusern überflutet wurde.

„Diesmal würde ich manche Dinge anders machen“, sagt Heinz Blümel, der vor 13 Jahren sowohl sein Wohnhaus in der Thälmannsiedlung als auch seine Kneipe in Aurith in den Fluten verlor. „Die Landesbeamten haben uns damals viel zu früh zum Verlassen der Häuser aufgefordert.“ In den verbliebenen drei Tagen nach dem Ausrufen der ersten Alarmstufe hätten sie noch viele Dinge retten können, nicht nur Möbel und Computer, sondern vor allem persönliche Dinge. Aber die Polizei habe niemanden mehr in die Häuser gelassen. Auch bei der diesjährigen Oderflut schließt der Präsident des Landesumweltamtes, Professor Matthias Freude, Evakuierungen nicht völlig aus. „Wir müssen abwarten“, sagt er vielsagend. Äußerlich ist von den damaligen Schäden kaum noch etwas zu sehen. Dank der Spendenflut von 50 Millionen Euro und einem mehrere hundert Millionen Euro großen Hilfsprogramm von Bund und Land gehören die nach der Flut aufgebauten Siedlungen zu den schönsten nicht nur in Brandenburg.

Unterdessen kam es am Pfingstwochenende zu einer Informationspanne. Das starke Interesse an den Ausmaßen der Hochwasserwelle hatte zeitweilig zu einem völligen Zusammenbruch der Internetseite mit den aktuellen Wasserständen und Prognosen geführt. Über Stunden war am Sonntag die in Verantwortung des Brandenburger Umweltministeriums herausgegebene Plattform nicht zu erreichen. „Es liegt an den vielen Zugriffen“, hieß es telefonisch aus dem Hochwassermeldezentrum in Frankfurt (Oder). In den betroffenen Regionen entlang der Oder rief dies viel Unverständnis hervor und trübte etwas die von der Landesregierung und den örtlichen Katastrophenstäben verbreitete Zuversicht von der guten Vorbereitung auf das viele Regenwasser im Fluss. Schließlich stützen sich auch die Bürgermeister, Amtsdirektoren und Freiwilligen Feuerwehren auf die elektronischen Angaben der aktuellen Wasserstände. Das Zeitalter einer telefonischen Informationskette sollte eigentlich Vergangenheit sein. Am Montag funktionierte die Seite wieder normal.

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