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Hochwasseralarm: Die Oder staut sich unterm Eis

Ein Drittel des Brandenburger Abschnitts ist zugefroren. Darunter fließt das Wasser nicht ab: Hochwasseralarmstufe im Nordosten.

Bienenwerder - Die Oder ist seit gestern auf etwa einem Drittel des rund 160 Kilometer langen Brandenburger Abschnitts unter einem dicken Eispanzer verschwunden. Dieser wächst von der Mündung im Stettiner Haff immer weiter flussaufwärts und stand gestern auf Höhe der stillgelegten Eisenbahnbrücke Bienenwerder im Oderbruch. Südlich davon schwammen noch Eisschollen gen Norden. Spätestens am Wochenende wird auch Frankfurt seine Oder nicht mehr sehen können. Die Schifffahrt ruht schon seit Weihnachten.

Doch während sich die Besucher am faszinierenden Bild von ineinander verkeilten und zusammengefrorenen Eisklumpen gar nicht satt sehen können, verfolgen Einheimische vor allem im 80 Kilometer nordöstlich Berlins gelegenen Oderbruch die Entwicklung mit skeptischen Blicken. „Unter dem Eis kann das Wasser nicht mehr wie gewohnt abfließen“, sagte gestern ein Landwirt in Zollbrücke. „Das kann sich leicht stauen und über die Deiche treten.“

Seine Sorge war nicht unbegründet. Für die Oderabschnitte in den Kreisen Märkisch-Oderland und Barnim gilt ab sofort die erste von insgesamt vier Hochwasseralarmstufen. „Das ist noch nicht beunruhigend“, sagt Sebastian Dosch vom zuständigen Wasser- und Schifffahrtsamt Eberswalde. „Der Pegel in Hohensaaten liegt bei 5,51 Meter. Das sind zwar 30 Zentimeter über der ersten Alarmstufe, aber die höchste Alarmstufe wird erst bei 6,50 Metern ausgelöst.“ Das Sturmtief Daisy habe am Wochenende viel Wasser von der Ostsee in die Oder gedrückt. Das behindere nun zusätzlich zur Eisbarriere den normalen Abfluss. „Zum Glück drückt jetzt nicht mehr so viel Wasser vom Süden nach. Erst bei einem plötzlich einsetzenden Tauwetter flussaufwärts würde es kritisch“, erklärt Dosch. „Aber danach sieht es nicht aus.“ Komme das Eis wie jetzt in Zollbrücke zum Stehen, könne der Pegel schnell um 80 bis 180 Zentimeter ansteigen.

Die erste Alarmstufe zieht eine genaue Beobachtung des Flusses nach sich. Eisbrecher haben bei der im Schnitt auf einen Meter angewachsenen Stärke des Eispanzers kaum eine Chance. Am vergangenen Wochenende unternahm die polnische Flotte in Höhe von Schwedt einen Versuch, die Decke aufzubrechen. Doch das scheiterte, weil die Wasserfläche sofort wieder zufror.

Ältere Bewohner des Oderbruchs erinnern sich noch an das Winterhochwasser 1947, als sich die eiskalten Wassermassen durch zwei gerissene Deiche ins Hinterland ergossen und 20 000 Menschen nach dem gerade überstandenen Krieg obdachlos machten. „Diese damalige Situation kann man mit heute nicht vergleichen“, sagt der Wasserexperte Dosch. „Die Deiche befinden sich im Unterschied zu 1947 in einem guten Zustand. Der Wasserstand war damals viel höher als heute.“ Selbst der Vergleich zum Hochwasser 1997 sei nicht gerechtfertigt. Man verfüge heute über viel bessere technische und organisatorische Mittel, um solche Katastrophen zu verhindern.

Zum Schlittschuhlaufen eignet sich die zugefrorene Oder aber nicht. Denn der Fluss bildet keine glatte Fläche. Tief im Flussbett wachsen Eiskristalle mit Schwebstoffen zusammen und schwimmen an die Oberfläche, wo sich Eisschollen bilden. Diese reiben sich durch Strudel und Strömung aneinander und erhalten durch den Frost ganz unförmige Gebilde.Claus-Dieter Steyer

Hochwasserinformationen unter: www.luis.brandenburg.de

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