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Brandenburg: Horno liegt halt mittendrin in der Kohle

HORNO .Das in sanfthüglige Kornfelder eingebettete Lausitzdorf mit dem sorbischen Namen Rogow könnte sich getrost am Landeswettbewerb für die schönste brandenburgische Gemeinde beteiligen.

HORNO .Das in sanfthüglige Kornfelder eingebettete Lausitzdorf mit dem sorbischen Namen Rogow könnte sich getrost am Landeswettbewerb für die schönste brandenburgische Gemeinde beteiligen.Hundertjährige Drei- und Vierseithöfe, teilweise noch mit Feldsteinen gemauert, säumen den Anger.Rogow, das vor zwei Jahren sein 650jähriges Jubiläum feierte, scheint sich fleißig fürs neue Jahrhundert herauszuputzen.Gepflegte Vorgärten, gemähter Rasen überall, frisch gestrichene Fenster.Warmrote, neue Biberschwänze blinken von der mittelalterlichen Dorfkirche.Anders als viele märkische Orte hat Rogow noch zwei Gaststätten, eine Bäckerei und sogar einen eigenen Spielmannszug.Mit Fördermitteln aus Potsdam und Brüssel hat man Gehweg und Straße erneuert, an der nun ein Blitz-Kasten die Gemeindekasse füllen hilft.Und über dem kommunalen Kindergarten wird gerade das Dachgeschoß ausgebaut."Für eine junge Familie", erzählt Bürgermeister Bernd Siegert.Aufschwung-Ost in Rogow.Es ist jener Ort, der den deutschen Namen Horno trägt und der - wenn kein Wunder geschieht - spätestens im Jahr 2003 dem Erdboden gleichgemacht wird.

Am Donnerstag wird das Brandenburger Verfassungsgericht möglicherweise das Urteil verkünden, ob Horno den Kohlebaggern weichen muß.Aber dies kann und will sich in der Gemeinde, die sich seit Jahren mit Bauernschläue und Dickköpfigkeit, mit Petitionen und Klagen gegen die drohende Zwangsumsiedlung wehrt, trotzdem kaum jemand vorstellen.Selbst wenn gegen Horno entschieden wird, sagt Siegert, "mit fliegenden Fahnen werden wir nicht gehen." Notfalls ziehe man eben vor den Europäischen Gerichtshof.Trotz der zermürbenden Warterei haben bislang nur zehn der 110 Grundeigner ihre Höfe an das Lausitzer Bergbauunternehmen Laubag verkauft.

Und doch rückt der mächtige Tagebau Jänschwalde, noch gut vier Kilometer entfernt, unaufhaltsam näher.Im Schrittempo kratzt der tonnenschwere Riesenbagger die Braunkohle aus der Erde, nachdem vorher darüber märkischer Sand beiseite geräumt wurde.Alles für das "Schwarze Gold" der Lausitz, das im nahen Kraftwerk Jänschwalde verstromt wird.Es ist, das ist Hornos Tragik, nicht irgendein Kraftwerk.Es ist das größte in Ostdeutschland.Ein Viertel des hier verbrauchten Stroms kommen aus seinen Turbinen, die in den letzten Jahren für 4,5 Milliarden Mark saniert und modernisiert wurden.Auch deshalb, weil der Tagebau, gleich nebenan liegt.Und Horno, sagt Laubag-Vorstandsmitglied Kurt Häge, "liegt halt mittendrin".

Nach den mit ihren Pfeilen an militärische Feldzüge erinnernden Plan-Karten des Energie-Konzerns hat die Gemeinde keine Chance.Den Tagebau vorbeiführen? Technologisch nicht machbar.Vor Horno halt machen? Dann fehle die Kohle für das Kraftwerk - das Aus für tausende Arbeitsplätze in einer Region, in der bereits Zehntausende die blauen Briefe bekamen.Die Kohle mit Zügen aus anderen Tagebauen heranfahren? Das würde den ohnehin teuren Braunkohle-Strom noch mehr verteuern.

Eine einzige Einbahnstraße ökonomischer Notwendigkeiten.Deshalb kann sich Häge "nicht vorstellen", daß das Verfassungsgericht für Horno entscheiden könnte.Schon jetzt appelliert Häge an die Hornoer, da die Zeit knapp wird, nach der Entscheidung des Gerichtes endlich über die Umsiedlung zu verhandeln, für die selbstverständlich "sozialverträgliche" Konditionen garantiert seien.Was für die Hornoer heißt, daß sie ihre Familiengehöfte gegen Fertighäuser eintauschen dürfen.

Überhaupt ist unklar, wer für die Hornoer diese Verhandlungen künftig führen soll.Denn nach dem Willen von Landtag und Innenministerium wird es schon nach der kommenden Kommunalwahl keine eigene Gemeindevertretung, keinen ehrenamtlichen Bürgermeister mehr geben.Daß man dem Dorf auch noch die Interessenvertretung entzieht, empfindet Bürgermeister Siegert als "besonders skrupellos".

Ihre Stimme dürfen die Hornoer am 27.September selbstverständlich abgeben.Sie dürfen den Bürgermeister und die Gemeindevertretung von Jänschwalde mitwählen.Jenes Braunkohleortes, der vom Tagebau-Kraftwerk lebt, welches Hornos Schicksal wahrscheinlich besiegelt.

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