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Brandenburg: „Ich bin erschrocken über die Härte der Auseinandersetzung“

Der scheidende CDU-Chef Jörg Schönbohm über den Kampf um seine Nachfolge, die Fehler, die er selbst gemacht hat und das Bild seiner Partei

Herr Schönbohm, Sie treten in wenigen Tagen als CDU-Chef ab. Was überwiegt: Erleichterung, Enttäuschung, Sorge?

Dankbarkeit! Als ich vor acht Jahren Landesvorsitzender wurde, war die CDU unbedeutend und in der Opposition. Wir haben Manfred Stolpes Alleinherrschaft gebrochen und regieren seit 1999 mit. Wir haben das Land, die „kleine DDR“, verändert, es gibt einen Mentalitätswechsel. Mich bedrückt aber, ob die Partei nach den Auseinandersetzungen um meine Nachfolge die innere Kraft aufbringt, zur Geschlossenheit zurückzufinden.

Als Sie 1999 nach Brandenburg kamen, war die CDU zerstritten. Jetzt ist es wieder so. Ist Ihre Partei derzeit politikfähig?

Wir sind regierungsfähig, die Minister leisten gute Arbeit, die Fraktion ist geschlossen und in der Koalition verlässlich. Nachfolgeauseinandersetzungen passieren auch anderswo, das ist nicht der Punkt. Schlimm sind die Begleitumstände, die erheblichen Indiskretionen aus der Landesgeschäftsstelle, aus dem Innersten der Partei, die anonymen Anzeigen. Das hat der CDU geschadet.

Sie können sich im Vorstand nicht durchsetzen, sind demontiert worden. Gibt es Momente, in denen Sie alles bereuen?

Nein. Ich bin froh darüber, dass ich am Aufbau eines demokratischen Brandenburg, an der deutschen Einheit mitwirken konnte. Die Querelen in der Partei tun manchmal weh, aber das gehört zur Politik. Bei aller menschlichen Enttäuschung habe ich eine positive Grundstimmung: Wir haben viel erreicht.

Sie sind mit sich im Reinen?

Als ich in die Politik ging, habe ich mir geschworen: Ich möchte mich nicht verbiegen, nicht verstellen. Ich weiß auch, dass ich bisweilen ein ungeduldiger Mensch bin, aus der Ungeduld heraus Menschen vielleicht Unrecht getan oder sie überfordert habe. Trotzdem bin ich mit mir im Reinen. Aber ich bin besorgt, dass das verloren gehen könnte, was wir gemeinsam erarbeitet haben.

Also doch eine zwiespältige Bilanz?

Die Bilanz im Ergebnis der erbrachten Leistungen ist positiv, vom Ergebnis der Auseinandersetzungen in der CDU allerdings sehr gemischt.

Wie konnte es dazu kommen?

Das hängt mit handelnden Personen zusammen, mit Selbstüberschätzung, der mangelnden Bereitschaft sich einzuordnen. Das ist in Parteien so. Wir sind zum Glück keine Kaderpartei. Aber die CDU muss wissen: Wenn sie wichtig bleiben will, muss sie geschlossen sein und sich auf die Zukunft konzentrieren. Die CDU ist wichtig für Brandenburg, aber Brandenburg ist wichtiger als die CDU.

Haben Sie die Unzufriedenheit der Jüngeren unterschätzt, die Petke unterstützen?

Ehrlich gesagt, verstehe ich die Unzufriedenheit nicht. Ich höre, die CDU muss mehr Kante zeigen. Ich glaube es gibt niemanden in der Partei, der so klar wie ich auch unbequeme Positionen vertreten hat. Ich höre auch, die Jungen sollen an die Macht. Sie sind an der Macht: Sven Petke, Barbara Richstein, Saskia Funck oder Katherina Reiche etwa haben verantwortliche Funktionen inne, sind Teil der Macht. Das ist etwas unredlich.

Welche Fehler haben Sie gemacht?

Dass ich Ende 2005, nach der Debatte um meine Aussagen zur Proletarisierung in Ostdeutschland, angekündigt habe, 2007 zurückzutreten, war taktisch falsch. Es war auch falsch, dass ich im April 2006 im Landesvorstand eher nebenbei gesagt habe, dass ich Ulrich Junghanns als meinen Nachfolger ansehe. Das wurde sofort an die Öffentlichkeit gebracht und mir angelastet. Dabei ist es so, dass sich bereits Monate vorher eine interne Führungsrunde, bei der auch Petke und Funck dabei waren, auf Junghanns als Nachfolger verständigt hat. Diese Vereinbarung ist später gebrochen worden.

Ist Petke als Vorsitzender ungeeignet ?

Das müssen die Delegierten entscheiden. Ich halte Ulrich Junghanns für geeigneter, er hat mehr soziale Führungskompetenz. Ich will nur daran erinnern: Die E-Mail-Affäre nahm durch Angriffe eines Mitarbeiters von Petke ihren Anfang. Man muss schon fragen, wie es dazu kommen konnte.

Es gibt in der CDU Vorbehalte gegen Junghanns. Wird er unterschätzt?

Von manchen bestimmt, vielleicht weil er bescheiden und zurückhaltend ist. Politiker wie Helmut Kohl, Angela Merkel oder Wolfgang Schäuble kennen ihn aus dem Bundestag: Alle loben seine analytischen und integrierenden Fähigkeiten, seine Loyalität.

Aber Petke ist trotz mancher Schlagzeilen und Affären an der Basis anerkannt?

Er hat ein Netzwerk aufgebaut. Ich höre oft: Er hat sich um uns gekümmert. Das war seine Aufgabe als Generalsekretär. Junghanns hat sich weniger um die Mitglieder, sondern um die Wirtschaft bemüht, wie es seine Aufgabe ist. Was letztlich zählt, ist doch, die Bevölkerung zu gewinnen. Ich denke dass zu diesem Amt auch Lebens- und Berufserfahrung gehören. Da traue ich Junghanns mehr zu.

Sie warnen, dass sich die CDU unter Petke spaltet. Woran machen Sie das fest?

An der jetzigen Situation. Eins ist doch auffällig: Bis September 2006 gab es kaum Indiskretionen, keine anonymen Untreue-Anzeigen. Seit seinem Rücktritt als Generalsekretär und seiner Kandidatur ist das anders. Ich unterstelle ihm nicht, dass er es war. Aber es kommt aus seinem Lager.

Sie sind erschrocken über diese Zustände?

Ich bin erschrocken über die Härte. Der ganze Stil der Auseinandersetzung schadet uns in der Bevölkerung.

Sie befürchten, dass bei einer Wahl Petkes irgendwann Rot-Rot kommen könnte?

Die Koalition ist kurzfristig nicht gefährdet. Zunächst wird alles so weitergehen wie bisher. Aber entscheidend wird sein, wie die CDU danach auftritt, wie sich das Ganze im Laufe der Zeit entwickelt. Koalitionen zerbrechen eher an Personen als an programmatischen Unterschieden. So war es auch mit der Großen Koalition in Berlin, ein klassisches Beispiel.

Können die Gräben überhaupt noch geschlossen werden?

Das ist das Problem. Aber bei aller Emotionalität ist Politik am Ende ein rationales Geschäft. Klar ist, eine zerstrittene CDU ist kein verlässlicher Koalitionspartner. Eine entscheidende Frage wird sein, ob sich Petke und seine Unterstützer im Falle einer Niederlage einordnen. Es kann nicht in ihrem Interesse sein, wenn die CDU in die Opposition getrieben wird. Zudem gehören zum christlichen Menschenbild auch Verzeihen und Vergeben.

Sie sind in den letzten Monaten demontiert worden. Ist Ihre Geduld grenzenlos?

Nein. Vieles diskreditiert sich selbst. Meine Leistungen in all meinen Berufen kann mir keiner kaputtmachen.

Ist es für Sie ausgemacht, dass Sie bis 2009 Innenminister bleiben?

Ich bin ein Pflichtmensch. Es hängt natürlich auch vom Verhalten verschiedener Akteure ab. Meine Bereitschaft ist nicht grenzenlos. Aber vielleicht lernt die andere Seite ja, dass es für uns alle besser ist, Häme an der Garderobe abzugeben.

Warum fällt es Politikern eigentlich so schwer, ihre Macht aufzugeben?

Politiker haben häufig kein intaktes Familienleben, keine Freunde, kein richtiges Hobby. Für viele ist Politik alles.

Für Jörg Schönbohm auch?

Nein. Ich führe eine glückliche Ehe, ich habe einen anregenden Freundeskreis, lese viel, für mich gibt es auch ein Leben außerhalb von Politik. Ich habe keine Angst, in ein Loch zu fallen, wenn ich einmal ganz mit der Politik aufhöre.

Sie sind als konservative Leitfigur der CDU nicht mehr ins Präsidium gewählt worden. Sind Sie enttäuscht?

Ich bin etwas enttäuscht, aber nicht verbittert. Und ich werde mich auf der bundespolitischen Bühne auch weiter zu Wort melden, nachdem die Verhältnisse hier geordnet sind.

Ist der Wettlauf der CDU mit der SPD um Familien, ums Soziale sinnvoll?

Ich halte diesen Weg für gefährlich. Ich bin nach wie vor der Auffassung, wenn es um Kinder geht, ist vor allem die Mutter gefragt, die Familie und erst dann der Staat. Ich befürchte, dass die Volksparteien sich immer ähnlicher werden, dass das konservative Profil der CDU verwässert wird.

Matthias Platzeck ist nicht mehr SPD-Bundeschef, Sie sind nicht im CDU-Präsidium. Ein Bedeutungsverlust für das Land?

Ja, das Land wird weniger wahrnehmbar sein. Auch die CDU Brandenburg natürlich. Aber auch wenn Brandenburgs Stimme auf Bundesebene leiser wird, gibt es für den Ministerpräsidenten und seinen Stellvertreter Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen. Deshalb werde ich das Amt des Vize-Regierungschefs an Junghanns abgeben, wenn er zum Parteivorsitzenden gewählt wird.

Was ist Ihr größter Wunsch?

Dass nach dem Parteitag das Gemeinsame in der CDU wieder stärker ist als das Trennende, dass Gemeinsinn mehr zählt als Egoismus.

Das Gespräch führten Michael Mara und Thorsten Metzner

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