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Kadaver am Haken. Das Eis ist geschmolzen, überall kommen nun tote Fische an die Oberfläche des Lietzensees. Mitarbeiter des Gartenbauamtes Charlottenburg zogen am Montag die Karpfen an Land. Eine leichte Aufgabe ist das nicht: Die Fische wiegen 20 bis 30 Kilo. Foto: dpa/Gabbert

© dpa

Im Winter erstickt: Tote Fische verwesen am Ufer

An den Ufern der Seen in Berlin und Brandenburg tauchen überall verendete Fische auf. Sie müssen eingesammelt werden, damit das Ökosystem nicht geschädigt wird.

Ein Spaziergang zu einem der zahlreichen Seen in Berlin und Brandenburg bereitet derzeit wenig Vergnügen. Schon von Weitem steigt beißender Gestank in die Nase. An der Oberfläche treiben oft Hunderte toter Fische, die erst nach und nach eingesammelt und beseitigt werden können. Die Tiere sind im langen Winter unter der dicken und schneebedeckten Eisdecke regelrecht erstickt. Nach dem langsamen Abschmelzen des Eises tritt das ganze Dilemma nun überall zutage. In manchen Gewässern dürfte kaum ein Fisch überlebt haben. Dabei gilt eine Faustregel: je flacher und kleiner der See, desto größer ist das Fischsterben.

Bei der Polizei, den Bezirksämtern oder beim Berliner Fischereiamt gehen täglich mehrere Dutzend Meldungen über das Auftauchen toter Fische ein. „Zum Glück sind die fließenden Gewässer wie Havel, Spree und Dahme nicht betroffen“, sagt die in der Berliner Umwelt-Senatsverwaltung für die Überwachung und den Zustand der Fischbestände zuständige Leiterin Susanne Jürgensen. „Dafür gibt es aber vor allem in den kleineren Seen im Südwesten der Stadt, beispielsweise am Hundekehlesee und am Herthasee, große Verluste.“ Ebenso stark sei der Lietzensee in Charlottenburg betroffen, obwohl hier schon frühzeitig eine Sauerstoffpumpe zur besseren Durchlüftung in Betrieb genommen wurde. Hier gibt es tonnenweise tote Hechte, Karpfen oder Zander.

Der Biologe und Chef des Potsdamer Naturkundemuseums, Detlef Knuth, hält das Fischsterben für eine Art „natürliche Grundreinigung“. In den meisten flachen Seen in Berlin und Brandenburg würde es ohne den Menschen gar keine großen Fische geben. Diese seien vor einiger Zeit ausgesetzt worden und nun zugrunde gegangen. „Durch den außergewöhnlich vielen Schnee auf der Wasseroberfläche drang kaum Licht zu den Algen, die somit nicht genügend Sauerstoff produzierten“, erklärt der Experte. „Doch diesen brauchen die Fische selbst in ihrer winterlichen Ruhephase, so dass ihr so schlagartig anmutender Tod nach diesem langen Winter nicht überraschend kommt.“ Lediglich am Rande oder im Schilfgürtel eines Sees hätten einige Fische überleben können.

So wie Detlef Knuth drängen viele Fachleute jetzt zur Eile. Die toten Fische sollten nicht weiter im Wasser verfaulen, da dadurch der Nährstoffeintrag noch verstärkt und die verbliebenen Fische bedroht werden könnten, heißt es etwa vom Naturschutzbund. Von einer „großen Panik“ oder „Katastrophe“ wollen die meisten Biologen aber nicht reden. „Die Natur hat uns Menschen wieder einmal die Grenzen aufgezeigt“, meint Museumsdirektor Knuth. „Wir können nicht beliebig Fische aussetzen, nur weil sie uns gefallen. Denn die Fische vertreiben Frösche, Lurche oder Libellen, die einfach zum biologischen Gleichgewicht dazugehören.“ Das werde nun auf schmerzliche Weise zum Teil wieder hergestellt.

Berlin will aber nicht völlig auf einen Neubesatz der Seen verzichten. „Unsere eigene Hechtzucht wirft genügend Tiere ab“, sagt Fischereiamtschefin Jürgensen. „Da könnte ich mir schon vorstellen, sie auch wieder in den Lietzensee zu entlassen.“ Alles solle aber sehr sensibel und erst nach eingehender Prüfung im Spätsommer erfolgen. Erst dann könne man ohnehin feststellen, wie viele Fische diesen außergewöhnlichen Winter überlebt hätten. Nutznießer sei in jedem Fall die in letzter Zeit selten gewordene Karausche aus der Karpfenfamilie, die sich im Schlamm eingraben und dabei ohne viel Sauerstoff auskommen kann. In der Grunewaldseenkette kümmert sich der Anglerverband schon jetzt um den ausreichenden Wiederbesatz, damit die Mitglieder ihrem Hobby frönen können.

Die stärksten Verluste in Brandenburg gibt es im Rangsdorfer See südlich Berlins. Ursprünglich sollten die am vergangenen Freitag hier ans Ufer geholten 70 Tonnen verendeter Welse, Karpfen, Schleie oder Aale in einem großen Loch vergraben werden. Doch schnell stellte sich heraus, dass die Menge sich vervielfachen würde. Deshalb brachten am ganzen Wochenende und gestern Lastzüge große Container voller Kadaver in eine Recyclinganlage nach Niederlehme, wo sie verbrannt wurden.

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