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Brandenburg: In der Warteschleife

Von Claus-Dieter Steyer Brand. Auf den Wachdienst am Eingang zum Gelände des Luftschiffbauers Cargolifter ist Verlass.

Von Claus-Dieter Steyer

Brand. Auf den Wachdienst am Eingang zum Gelände des Luftschiffbauers Cargolifter ist Verlass. „Presse?“, fragt der ältere Mann mit finsterem Gesicht. „Stehen Sie auf der Liste? Nein? Dann können Sie nicht rein.“ Die Antwort verwundert. Denn Besucher inBussen, auf Fahrrädern oder in privaten Autos konnten die Hürde problemlos nehmen. „Wir haben unsere Anweisungen“, erklärt der dienstbeflissene Wachschützer.

Die Nervosität nach dem finanziellen Offenbarungseid des 1996 mit so viel Euphorie an den Start gegangenen Unternehmens spürten Besucher überall auf dem Gelände in Brand. Kopfschütteln und Schulterzucken der Mitarbeiter sind die deutlichsten Anzeichen dafür. Über die Lippen kommt kaum ein Wort. Nur als die Rede auf einen möglicherweise von der Geschäftsleitung verordneten Maulkorb kommt, widersprechen die beiden Ingenieure im Biergarten am Besucherzentrum. „Wir wissen doch selbst nicht, wie es weitergeht“, sagt einer.

Die Arbeit sowohl in den Büros und in der riesigen Werfthalle wird fast unbeeindruckt von den Ereignissen fortgesetzt. Männer in Anzügen und einem computerlesbaren Ausweis am Halsband laufen so wie immer zwischen den Büros hin und her. Dazwischen setzen sie sich vor Computer oder halten große Zeichnungen in den Händen. Durch die großen Fenster des Gebäudes ist das lebhafte Treiben für jedermann zu beobachten. In der Halle schneiden Frauen und Männer in weißen Overalls die Bahnen für den Transportkran zurecht, der einmal 75 Tonnen durch die Lüfte tragen soll. Vor dem Prototyp stauen sich Touristengruppen, die nach wie vor in großer Zahl zu Cargolifter strömen. Auf der als größte Nähmaschine der Welt bezeichneten Schneidemaschine sollten auch die Bahnen für das große Luftschiff entstehen. Doch ob es wirklich dazu kommt, ist unklar. Deutliche Worte findet Betriebsratschef Matthias Flörsch. „Ohne Lohn ist die Stimmung natürlich schlecht“, sagt er. „Aber noch glauben wir an die Idee des Luftschiffes.“ Viele der 495 Mitarbeiter aus 19 Nationen gehörten zu den Idealisten. „Die schauen gar nicht unbedingt auf jeden Euro, sondern sind in die Technologie regelrecht vernarrt.“ Die würden auch in anderen Unternehmen bestimmt jederzeit einen Job finden, glaubt der Betriebsratschef.

In Frankreich, Großbritannien und anderen Ländern liefen ähnliche Projekte, allerdings mit starker staatlicher Unterstützung. „Das müsste auch bei passieren“, meint Flörsch. Er hält nicht mit Kritik am Vorstand zurück. „In der Vergangenheit wurden wohl nicht alle Möglichkeiten der Investorensuche ausgeschöpft“, sagt er. „Man kann sich nicht nur auf die großen Luftfahrtunternehmen konzentrieren." Nur die wenigsten Angestellten sind in der Umgebung des frühren russischen Militärflugplatzes wirklich sesshaft geworden. „In Staakow haben zwei Briten Häuser gekauft“, sagt ein Anwohner. „Die meisten fahren jeden Tag nach Berlin oder haben sich für die Woche ein Zimmer gemietet. Bei mir wohnen selbst drei Männer aus dem Westen.“ Es wäre natürlich schade, wenn die Firma dichtmache. Dann sehe es hier sehr düster aus. Auch der Landkreis Dahme-Spreewald ist alarmiert. „Wir arbeiten fieberhaft an einem Modell, um Fördermittel zu beschaffen“, teilte der Büroleiter des Landrates, Wolfgang Schmidt mit. Der Kreis könnekein Geld zuschießen.

Ganz ohne Einnahmen ist das Unternehmen jedoch nicht. Im Souvenirladen floriert das Geschäft mit Mützen und Bastelbögen. Einigen der mit Gas gefüllten Luftschiffmodellen geht allerdings schon auf dem 100 Meter entfernten Parkplatz die Luft aus.

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