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Brandenburg: Jäger des verlorenen Schnipsels

Im Kopier- und Restaurationswerk in Dahlwitz-Hoppegarten werden alte Filme wieder in Form gebracht

Dahlwitz-Hoppegarten - Es wird allmählich eng im Kopier- und Restaurationswerk in Dahlwitz-Hoppegarten. Zwar sind die 36 Mitarbeiter erst im Dezember 2004 in den neuen, zwölf Millionen teuren Bau mit dem so genannten Bunker gezogen, und in jeder der 40 schmalen Zellen dort können bis zu 2000 Filmrollen gelagert werden. So ist der Bunker für insgesamt 80 000 Rollen konzipiert. Doch schon jetzt befinden sich hier über 72 000 Filme. Und: „Pro Jahr kommen über 10 000 neue Filme hinzu“, sagt Nikola Klein, die technische Leiterin im Kopier- und Restaurationswerk.

In den kommenden Jahren steht der Ausbau der Anlage an. Spätestens in 20 Jahren soll der gesamte historische Bestand des Bundesfilmarchivs – mit knapp einer Million Filmrollen eines der größten Archive der Welt – hier untergebracht sein. Derzeit lagert er noch in Koblenz, Wilmersdorf und Köpenick.

Als „kulturelles Gedächtnis“ bezeichnet das Bundesarchiv, dem das Filmarchiv untergeordnet ist, die zahlreichen historischen Spielfilme und Privataufnahmen. „Es ist wie mit alten Büchern“, sagt Nikola Klein. Die Filme erzählen Geschichte. In den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts begannen zahlreiche Filmstudios mit der Sammlung ihrer Filme. Die Arbeit wurde vom Reichsfilmarchiv bis 1945 und danach von den Filmarchiven der DDR und der Bundesrepublik fortgesetzt. 1990 wurden diese Bestände zusammengeführt. Neben den Spielfilmen lagern auch viele Privataufnahmen in den Archiven. Auf manchen sind Straßen, Häuser oder Parkanlagen zu sehen, die es heute nicht mehr gibt. Die Aufgabe des Filmarchivs besteht darin, diese Bestände zu sichten, eine möglichst vollständige Sammlung zu schaffen und für die Zukunft zu sichern. Filmklassiker wie „Nosferatu“ von 1921 und „Metropolis“ von 1926 sind im Kopier- und Restaurationswerk bearbeitet worden.

„Dass die alten Filmrollen, weil mit Cellulosennitrat beschichtet, so leicht entflammbar sind, ist das eine, der oftmals schlechte Zustand das andere Problem, mit dem wir hier zu tun haben“, sagt Nikola Klein. Manchmal dauert es nur wenige Wochen, manchmal bis zu einem Jahr, bis die 36 Mitarbeiter einen alten Film restauriert und anschließend kopiert haben. Bis zu 400 Filme können so in einem Jahr bearbeitet werden. In vielen Fällen ist es ein aussichtsloser Kampf gegen die Zeit.

„Am Anfang steht die Sichtung mit allen Sinnen“, sagt Nikola Klein. Schachtel auf, schauen, riechen und anfassen, wie weit die Zersetzung schon fortgeschritten ist. An den Umrolltischen werden die Schäden genauer analysiert und so weit wie möglich behoben: Risse, brüchiges Material, Schrumpfungen, alte Klebestellen. Manchmal müssen auch mehrere Kopien verglichen werden, um, so weit wie möglich, den Originalfilm zu rekonstruieren. „Eine Puzzlearbeit, die oft auch zu Recherchen in anderen Archiven führt.“

„Väterchen als Uhrmacher“ heißt das Filmfragment von 1930, mit dem sich der Auszubildende Volkmar Ernst gerade beschäftigt. 50 Meter lang, hat dieser Stummfilm eine Spielzeit von wenigen Minuten. Ernst schneidet die arg mitgenommenen Untertitel heraus und bearbeitet mit einem Skalpell die alten Klebestellen. Sie sollen durch neue, vom Original abgezeichnete Untertitel ersetzt werden. Dann wird der Film gewaschen, ein anderer Mitarbeiter überprüft, ob beim Kopieren bestimmte Lichtverhältnisse notwendig sind. Während des Kopiervorgangs läuft das Original durch eine Speziallösung, mit der Kratzer kaschiert werden.

Am Fehrbelliner Platz befindet sich die Annahmestelle für alte Filme. „Meist kommen Privatleute, die Filme im Nachlass verstorbener Familienangehöriger gefunden haben“, erzählt Nikola Klein. Dann wird geprüft, ob diese Aufnahmen nach Hoppegarten gebracht werden. „Denn nicht jeder Film muss zwingend erhalten werden.“ Falls doch, besteht die Möglichkeit, sich die alten Aufnahmen auf Video überspielen oder auf DVD brennen zu lassen.

Über 14 000 Stunden Film – ein Viertel des gesamten Bestandes – sind in den Werkstätten des Kopier- und Restaurationswerkes gesichert worden. Jährlich nutzen über 1000 Besucher die Bestände, über 3000 Anfragen werden schriftlich bearbeitet. Pro Jahr beliefert das Archiv Film- und Fernsehproduktionen mit 3200 Stunden kopierter Filme.

Trotz der intensiven Arbeit mit den alten Filmen rechnet Nikola Klein nicht mit dem spektakulären Fund eines verschollenen Filmklassikers. Die wichtigsten Filme lagern schon im Archiv. „Doch es besteht immer die Möglichkeit, dass wir vielleicht den verschollenen Teil eines alten Films finden.“

Dirk Becker

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