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Brandenburg: Jeder fünfte Schulanfänger hat Sprachstörungen

Vor allem Kinder aus sozial schwachen Familien leiden an Gesundheitsproblemen oder Entwicklungsrückständen

Potsdam. Jeder fünfte Brandenburger Schulanfänger leidet an Sprach- und Sprechstörungen. Und die Zahl der Kinder, die nicht richtig reden können, sei in den letzten Jahren gestiegen, sagte Gesundheitsminister Günter Baaske (SPD) am Mittwoch. Lag der Anteil im Jahr 2001 bei 17,5 Prozent, sind es jetzt 19,2 Prozent. Es sind Kinder, die lispeln, die stottern oder die in ihrem Sprachvermögen im Vergleich zu Gleichaltrigen zurückgeblieben sind. Etwa die Hälfte dieser Kinder ist theraphiebedürftig. Es ist nicht allein ein medizinisches, sondern auch ein pädagogisches Problem, sagte Baaske. „In den Familien wird weniger gesprochen als früher. Dafür spielen Fernseher und Computerspiele heute eine große Rolle.“

Festgestellt wurden die alarmierenden Zahlen bei den Reihenuntersuchungen in den Kindertagesstätten und den Untersuchungen zum Schulbeginn. Mit diesem aus DDR-Zeiten rührenden System der Früherkennung hebe sich Brandenburg von anderen Bundesländern ab, so Baaske. „Brandenburgs Kinder sind nicht kränker. Man untersucht hier früher“, sagt Thomas Erler, Chefarzt für Kinder- und JugendmedizinBam Carl-Thiem-Klinikum in Cottbus. In Berlin zum Beispiel leidet jeder dritte Schulanfänger an Sprachdefiziten.

Neben den Sprachstörungen sind Wahrnehmungs- und Konzentrationsschwierigkeiten die häufigsten Gesundheitsdefizite: darunter leiden neun Prozent der Schulanfänger. Baaske nannte es problematisch, dass Kinder aus sozial schwachen Familien drei bis vier Mal häufiger an solchen Krankheiten oder Entwicklungsrückständen litten, als Kinder besser gestellten Familien. Dies ist auch beim Übergewicht der Fall, das bei fünf Prozent der Schulanfänger festgestellt wurde.

Kinder aus einkommensschwachen Elternhäusern neigen dreimal so häufig zur Fettleibigkeit wie Kinder aus Durchschnittsfamilien. Dies zeigt sich sogar in regionalen Unterschieden: In den Randregionen des Landes ist die Armut größer als im Berliner Umland, und dort leiden nach Erkenntnissen der Gesundheitsbehörden auch mehr Kinder an Übergewicht. Zum Hintergrund: Jede dritte Brandenburger Familie mit Kindern hat monatlich ein Netto-Haushaltseinkommen von weniger als 1500 Euro.

Die PDS-Opposition kritisiert allerdings, dass die von Baaske gelobten Reihenuntersuchungen in den letzten Jahren in der Praxis in den Landkreisen eingeschränkt wurden: Tatsächlich wurden 2003 im Landesdurchschnitt nur 47 Prozent der Drei- bis Fünfjährigen untersucht, in Märkisch-Oderland sogar nur 27 Prozent. Nach Auffassung des Landesgesundheitsamtes gibt es daher immer noch zu viele Kinder, deren Probleme erst zur Einschulung entdeckt werden.

Derzeit werden 6,5 Prozent der untersuchten Sechsjährigen zur Behandlung an Ärzte überwiesen, bei Kindern aus sozial schwachen Familien liegt dieser Anteil bei elf Prozent. Fast jedes zehnte Kind wird bei den Einschulungsuntersuchungen „zurückgestellt“, weil es noch nicht schulreif ist. Der Anteil der Kinder, die erst mit sieben Jahren eingeschult werden, sei zu hoch, heißt es auch im Brandenburger Bildungsministerium.

Baaske wies darauf hin, dass zwar 94 Prozent der Drei- bis Sechsjährigen in Brandenburg Kindertagesstätten besuchten und regelmäßig untersucht würden. Doch gerade die restlichen sechs Prozent entpuppten sich bei der Einschulung oft als Problemfälle. Es handle sich häufig um Kinder, „die ohne Frühstücksbrot in die Schulen kommen und auch kein Essengeld mitbringen“. Sie kämen häufig aus Familien, die die Kita-Betreuung nicht bezahlen können.

Es gibt aber auch positive Trends: So haben Brandenburgs Kinder heute gesündere Zähne. 52 Prozent der Sechstklässler sind kariesfrei – 1993 waren es erst 14 Prozent.

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