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Brandenburg: Johannes Mario Simmel im Gespräch: "Das zusammengebrochene Immunsystem"

Johannes Mario Simmel (76), weltweit erfolgreicher Unterhaltungsschriftsteller, hat mit seinem jüngsten Band "Die Bienen sind verrückt geworden" eine Kontroverse mit Brandenburgs Ausländerbeauftragter Almuth Berger ausgelöst. Simmel, der sich seit Jahrzehnten gegen Rassismus engagiert, nahm Berger zugeschriebene Zitate inzwischen zurück.

Johannes Mario Simmel (76), weltweit erfolgreicher Unterhaltungsschriftsteller, hat mit seinem jüngsten Band "Die Bienen sind verrückt geworden" eine Kontroverse mit Brandenburgs Ausländerbeauftragter Almuth Berger ausgelöst. Simmel, der sich seit Jahrzehnten gegen Rassismus engagiert, nahm Berger zugeschriebene Zitate inzwischen zurück.

Herr Simmel, Ihr Konflikt mit Brandenburgs Ausländerbeauftragter Almuth Berger hat für Aufsehen gesorgt. Ist er beigelegt?

Ja, wir haben uns ausgesprochen. Frau Berger ist eine engagierte, verehrungswürdige Frau, die wie ich gegen den Rechtsextremismus kämpft und der ich weh getan habe. Das tut mir leid, ich habe mich bei ihr entschuldigt.

Frau Berger sah sich bösartig diffamiert, weil Sie in Ihrem neuen Buch "Die Bienen sind verrückt geworden" den Eindruck erwecken, sie habe als Ausländerbeauftragte die milden Urteile im Gubener Hetzjagdprozess "erleichtert" begrüßt. Haben Sie mangelhaft recherchiert?

Man kann es so sagen. Ich habe mich wegen des Zeitdrucks auf die "Süddeutsche Zeitung" verlassen, die Frau Berger leider verkürzt zitiert hat.

Zunächst hatten Sie auf Ihr Recht auf satirische Überhöhung gepocht?

Es ist keine satirische Überhöhung. Ich weiß inzwischen, dass Frau Berger eine schwere Arbeit ganz in meinem Sinne leistet. Ich bin also über eine Freundin hergefallen. Wir haben alles ausgeräumt. In der neuen Auflage wird die Passage nicht mehr enthalten sein, den noch auf Lager befindlichen Exemplaren wird ein gemeinsam abgestimmter Brief an den Buchhandel beigelegt.

Sie geißeln in Ihrem Buch den Gubener Hetzjagdprozess, der für die meisten angeklagten Skins glimpflich endete, obwohl sie einen Algerier zu Tode hetzten. Der Richter reagierte auf Ihre Kritik mit dem Satz, die Trivialliteratur eines Simmel erhebe keinen Anspruch auf Seriosität.

So habe ich ihn mir vorgestellt. Es ist feige, sich mit Kritik nicht einmal auseinander zu setzen. Die Urteile bleiben ein Skandal.

Obwohl die Justiz, wie Frau Berger damals betonte, nur in einem bestimmten Rahmen entscheiden kann?

Man darf das nicht akzeptieren. Ich behaupte, dass die deutsche Justiz auf dem rechten Auge blind ist. Ich erinnere nur daran, wie schnell man mit der RAF fertig geworden ist.

Es vergeht kaum ein Tag ohne rechtsextrem motivierte Übergriffe in Brandenburg. Was empfinden Sie?

Ich habe das erste ungeheuerliche Nazi-Zeit-Verbrechen miterlebt. Es sind leider verflucht wenige, die sich engagieren.

Sie vermissen den Aufstand der Anständigen, den Bundeskanzler Schröder gefordert hat?

Es muss ihm mehr einfallen als ein Aufstand der Anständigen. Denn er weiß, wozu dieses Land vor 50 Jahren fähig war. Es haben sich nicht alle geändert.

Wo sehen Sie die Ursachen für die besondere "Anfälligkeit" gerade der Ostdeutschen für rechtsextremistisches Gedankengut?

Nicht nur der Ostdeutschen, auch der Westdeutschen. Marlene Dietrich, die ich gut kannte, hat einmal gesagt, die Deutschen brauchen einen Führer, einen der ihnen sagt, was sie zu tun haben, und der dann Schuld hat, wenn es schief geht. Ich glaube, dass das von Generation zu Generation weitergegeben wird. Im Osten kommt die Orientierungslosigkeit nach der Wende hinzu. Außerdem erschwert die dauernde Maulerei im Westen "Ihr seid doof, ihr seid faul, wir müssen für euch zahlen, bis wir schwarz werden" das Zusammenwachsen. Ich glaube, die beiden Deutschlands haben sich noch nie so weit voneinander entfernt wie jetzt.

Hat die Politik bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus versagt?

Ja, total. Ich hatte gehofft, dass es unter Rot-Grün anders wird. Aber wie oft beschäftigt sich denn Kanzler Schröder ernsthaft mit diesem Kernproblem? Die Ostdeutschen fühlen sich nach wie vor allein gelassen.

Fördert eine harte Asylpolitik ausländerfeindliche Ressentiments?

Ja. Brandenburgs Innenminister Schönbohm ist so ein Hardliner, aber nicht der einzige. Herr Stoiber in Bayern sah einmal die Gefahr, dass Deutschland "durchrasst" wird. Bei vielen Leuten kam das so an: "Der denkt wie wir!"

Stellt der Rechtsextremismus eine reale Gefahr dar?

Ja, denn es kann schlimmer werden, und zwar sowohl im Westen wie im Osten. Die Rechtsradikalen vernetzen sich immer besser.

Der Streit mit Frau Berger hat auch etwas Gutes. Sie werden sich in Brandenburg engagieren.

Das ist richtig. Es gab gleich nach dem Krieg das sehr kluge Buch eines Schweizers: "Hitler in uns". Jeder Mensch hat sowohl wunderbare wie teuflische Anlagen in sich. Letztere brechen in der Regel nur deshalb nicht aus, weil der Mensch nicht nur ein biologisches, sondern auch ein humanes Immunsystem hat. Wir alle könnten Hitler sein, wenn dies humane Immunsystem das nicht verhindern würde. Aber bei vielen funktioniert es nicht mehr. Mit Wissenschaftlern, Politikern, Polizisten und Psychologen wollen wir diskutieren: Wie man das zusammengebrochene Immunsystem wieder stärken kann.

Herr Simmel[Ihr Konflikt mit Brandenburgs Ausl&au]

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