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Brandenburg: Kampf am Flussbett: Deichgegnern droht die Enteignung In der Prignitz streiten Elb-Anwohner und

Umweltminister Woidkeumden Hochwasserschutz

Lenzen - Der Streit um ein neues Bett für die Elbe in der Prignitz spitzt sich zu. Die Landesregierung will den Deich an zwei Stellen weiter ins Landesinnere verlegen. Aber die Anwohner weigern sich, dafür Land zu verkaufen. Landwirte wollen ihre Weideflächen und Jäger ihr Revier hinter dem jetzigen Damm behalten. Außerdem befürchten viele Einwohner, dass ein neues Hochwasser dann viel dichter an ihre Dörfer herandrängt und ihre Keller auch ohne einen Deichbruch flutet. Nun hat Umweltminister Dietmar Woidke (SPD) darauf hingewiesen, dass man die Eigentümer auch enteignen könne. Das Bau- und Bodenrecht erlaube solche „Maßnahmen der Hochwasserrückhaltung“.

Der Deich im nordwestlichen Brandenburg soll an zwei Stellen auf mehreren Kilometern um bis zu 400 Meter von der jetzigen Uferlinie verlegt werden: im Rühstädter Bogen und am „Bösen Ort“ in der Nähe von Lenzen. Schon vor mehr als 100 Jahren gab es hier Ideen zur Begradigung der Elbe. Interesse daran hatte vor allem die Schifffahrt. Denn in den Biegungen steuern Kapitäne ihre Kähne bis heute immer wieder auf Sandbänke.

Beim Sommerhochwasser vor drei Jahren drohte die Elbe gerade an diesen sensiblen Stellen den Deich zu durchbrechen. Vorsorglich waren damals 39 Dörfer evakuiert worden. Die Bundeswehr und tausende Helfer vollbrachten wahre Heldentaten. Rund eine Million Sandsäcke sicherten allein am „Bösen Ort“ auf einer 800 Meter langen Strecke einen Bruch des Deiches. Bereits kurz nach der Flut waren sich Experten und Einwohner einig, dass man dem Fluss mehr Überschwemmungsflächen geben müsse. Die weitere Kanalisierung im Oberlauf der Elbe wurde gestoppt. In der Prignitz sollte der Fluss ein breiteres Bett erhalten. Heute stehen Experten wie der Chef des Biosphärenreservates Flusslandschaft Elbe, Frank Neuschulz, ziemlich allein da. „Durch das gewonnene Land bei der Deichverlegung kann der Wasserpegel um bis zu 30 Zentimeter gesenkt werden“, sagt er. Auf den jeweils rund 400 Hektar großen Flächen könnten Auenwälder angelegt und so die Wucht des Hochwassers abgeschwächt werden.

Spätestens 2004 sollten diese Pläne verwirklicht sein, hieß es im August vor zwei Jahren. Nichts ist passiert. Jetzt ist die Gefahr sogar noch größer als vor der Jahrhundertflut. Denn wegen des anhaltenden Streits sind die alten Deiche in den beiden betroffenen Gebieten im Unterschied zu den restlichen 65 Kilometern noch nicht saniert worden. Das Brandenburger Umweltministerium hoffte bislang auf die Einsicht der privaten Flächeneigentümer. Sie besitzen allein im Rühstädter Bogen 78 Prozent der für eine Deichverlegung benötigten Flurstücke. Doch eine gütliche Einigung ist nicht in Sicht. Die Gemeindevertretung von Rühstädt lehnte die Veränderung des Deichverlaufs mehrheitlich ab.

So wie Gerhard Freuling denken viele Einwohner: Eine Erhöhung des altes Dammes würde ausreichen und käme nur halb so teuer wie ein neuer Deich. Die gleichen Meinungen hören die Experten auch am „Bösen Ort“. Überall wird der glimpfliche Verlauf des Hochwassers 2002 in der Prignitz als Argument angeführt. Was da gelang, so heißt es, wäre auch bei einer neuen Flut möglich. Über die Enteignungsgedanken des Umweltministers sind die Anwohner empört. Einige wollen aus Protest ihre Elbeflutmedaille zurückgeben, die sie 2002 von der Landesregierung bekommen haben.

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