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Brandenburg: Kampf um tausend alte Bäume auf dem Oderdamm

REITWEIN . Ein besonderer Steckbrief machte gestern am Oderdeich bei Reitwein, rund 70 Kilometer nordöstlich Berlins, die Runde.

REITWEIN . Ein besonderer Steckbrief machte gestern am Oderdeich bei Reitwein, rund 70 Kilometer nordöstlich Berlins, die Runde. Gesucht wird demnach ein etwa 50 Jahre alter und 1,80 Meter großer Mann, der durch einen bis zum Haaransatz reichenden schmalen grauen Kinnbart auffalle. Ihm lastet die örtliche Bürgerinitiative ein gar frevelhaftes Verhalten an. Denn mit mehreren Unbekannten soll der Mann als Hauptverdächtiger viele Bänder, Schleifen und Schilder von Bäumen auf dem Oderdamm entfernt haben. Mit ihnen hatten die Einwohner auf vielen Kilometer Länge die teils 150 Jahre alten Eichen, Eschen und Ahornbäume geschmückt, die zu ihrem Leidwesen ab Ende Juli der Säge zum Opfer fallen sollen. Das Landesumweltamt sieht in den rund 1000 Bäumen ein Risiko für die Standsicherheit des Deiches bei einem Hochwasser. Der gesuchte Mann wird deshalb in den Reihen der Behörde vermutet. Davon gingen jedenfalls gestern rund 200 Menschen bei einer Demonstration für die Rettung der einzigartigen Oderdammallee aus.

Von überall her strömten die Menschen zum Ausgangspunkt des rund zwölf Kilometer langen Deichabschnittes bei Reitwein. Kaum ein anderes Thema hat die Menschen in der Region so aufgewühlt wie die angekündigte großflächige Rodung. Die Einheimischen vertrauen auf die jahrhundertealte Erfahrung, wonach gerade die Bäume die Gegend vor Hochwasser schützen. "Schließlich hält das Wurzelwerk den Deich zusammen", sagte Reitweins Bürgermeister Karl-Friedich Tietz. Dem widersprechen die Wasserbauexperten gerade nach den Erfahrungen der Oderflut vor zwei Jahren. Die Wurzeln schafften Hohlräume, durch die das Wasser leicht einsickern könnte, heißt es vom Landesumweltamt. Außerdem würde ein beim Sturm umknickender Baum ein großes Loch in den Damm reißen, mit unabsehbaren Folgen für den Schutz der Einwohner. Selbst Hubschraubereinsätze, die mit den genauen Sandsackabwürfen im weiter nördlich gelegenen Hohenwutzen erst einen Dammbruch verhindert hätten, seien bei einer Allee am Deich gar nicht möglich.

"Manche Leute denken immer noch, wir seien irgendwelche Spinner", rief der Initiator des Protestes, Hermann Kaiser, zu den Demonstranten. "Wir kämpfen doch nicht um die Bäume, nur weil uns ihre grüne Farbe besonders gefällt. Uns geht es um den Schutz des Oderbruchs mit seinen 19 000 Menschen vor einer Überflutung." Es sei deshalb nur schwer zu verstehen, daß Umweltfreunde ausgerechnet gegen eine "grüne Behörde" auf die Straße gehen müsse. Er forderte deshalb einen Hochwasserschutz unter Bewahrung der 1000 Bäume.

Wie das funktioniert, könne jedermann einige Kilometer südlich von Reitwein sehen. Da sei der Deich beim Bau der Erdgasleitung Rußland-Westeuropa vor Jahren mit Spundwänden aus Stahl gesichert worden. "So eine Variante muß doch auch bei uns möglich sein", sagte der Reitweiner Wirt Hermann Kaiser. Das Umweltministerium hat diesen Vorschlag als "problematisch" bezeichnet, da er Mehrkosten von mehreren Millionen Mark verursache. Erst morgen will sich das Umweltministerium vor der Presse zu dieser Problematik äußern, und am Mittwoch sind drei Mitglieder der Bürgerinitiative zum Gespräch mit Umweltminister Eberhard Henne eingeladen.

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