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Brandenburg: Kein Geld, keine Strafe, keine Erziehung

Justizministerin: Gerichtsurteile werden nicht umgesetzt, weil Jugendämtern Finanzen und Personal fehlen

Von Sandra Dassler

Potsdam/Cottbus - Brandenburgs Justizministerin Beate Blechinger (CDU) fordert eine zentrale Fachaufsicht für alle Jugendämter des Landes. Grund dafür seien die ihrer Ansicht nach teilweise katastrophalen Mängel bei der Zusammenarbeit der Jugendämter mit den Jugendgerichten, der Jugendgerichtshilfe und den Familienrichtern, sagte ihr Sprecher Thomas Melzer gestern dem Tagesspiegel.

So könnten die von Jugendgerichten verhängten Erziehungsmaßnahmen oft nicht ausgeführt werden, weil die Jugendämter dazu weder personell noch finanziell in der Lage seien. Urteile müssten sich so manchmal nach Kassenlage richten. Anti-Gewalt-Training beispielsweise werde in manchen Städten und Landkreisen nicht angeboten, weil das Geld dafür ebenso fehle wie für die Betreuung und Kontrolle der Jugendlichen, die zu Arbeitsleistungen verurteilt wurden. Schlimm sei ein Fall im Osten Brandenburgs. Dort habe ein Kind trotz richterlicher Anordnung nicht aus der Familie genommen werden können, weil kein Geld für den Heimplatz zur Verfügung stand. Es komme auch vor, dass Jugendliche statt ins Heim in die Jugendpsychiatrie der Landesklinik müssten. Denn dafür zahle das Land, nicht die Kommune.

Festgestellt wurden die Mängel in einem Bericht, den das Oberlandesgericht für das Justizministerium erarbeitet hat. Darin wird auch kritisiert, dass Gerichtstermine ausfallen oder sich Verfahren verzögern, weil in den Ämtern das Personal fehle. So seien Jugendämter des Landgerichtsbezirks Potsdam chronisch unterbesetzt. „Die Mitarbeiter geben ihr Bestes, sind aber zu wenige, um alle Aufgaben zu erfüllen“, sagt Melzer: „Das ist ein strukturelles Problem“, auf das die Justizministerin schon öfter hingewiesen habe.

Die jetzt von Blechinger geforderte zentrale Fachaufsicht soll bei der Landesregierung angesiedelt sein und sich zuerst um eine ausreichende, vergleichbare Personalausstattung sowie einen einheitlichen Umgang mit Krisenfällen, beispielsweise bei sexuellem Missbrauch von Kindern, kümmern. „Die Ministerin hat bei Arbeitsbesuchen in Jugendstrafanstalten oder bei Einrichtungen der Jugendgerichtshilfe immer wieder festgestellt, dass gefährdete Kinder nicht die gleichen Chancen haben“, sagt Justizsprecher Melzer: „Und oft hat man den Eindruck, dass kriminelle Karrieren bei früherem Eingreifen hätten verhindert werden können.“

Im SPD-geführten Ministerium für Bildung, Jugend und Sport stößt Blechingers Vorschlag auf Ablehnung. „Wir halten nichts von zentralistischen Lösungen“, sagt ein Sprecher. „Die Kommunen können die Situation am besten einschätzen.“ Ähnliches hört man aus dem Sozialministerium und vom Städte- und Gemeindebund. Klaus-Peter Humpert vom brandenburgischen Landkreistag weist die Kritik besonders rigoros zurück. „Uns ist noch nie von Dritten bekannt geworden, dass es in Jugendämtern finanzielle oder personelle Probleme gebe“, sagt er.

Darüber kann sich die Cottbuser Jugendrichterin Sigrun von Hasseln nur wundern. „Es ist kein Geld da für soziale Trainingskurse, für Anti-Gewalt-Training oder Verkehrskurse, es fehlen einheitliche Qualitätsstandards und Schulungsangebote für die Behördenmitarbeiter“, sagt sie. Von Hasseln ist auch Landesvorsitzende der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte: „Wir fordern seit Jahren ein stärkeres Engagement des Landes und unterstützen Frau Blechingers Vorschlag sehr. Gerade bei gefährdeten Kindern und Jugendlichen geht es ja weniger um Strafe als um Erziehung. Das ist ganz wichtig für sie. Und auch für uns alle.“

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