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Brandenburg: Kein Heimspiel für Angela Merkel

Beim CDU-Wahlkampfauftakt gab es viele Pfiffe für die Kanzlerkandidatin – und noch mehr für Schönbohm

Cottbus – CDUKanzlerkandidatin Angela Merkel hat die Reformfähigkeit der Ostdeutschen hervorgehoben, die in den letzten Jahren große Umbrüche bewältigt hätten. „Gerade wir brauchen keine Angst vor den kommenden Veränderungen haben“, sagte Merkel am Dienstagabend beim Wahlkampfauftakt der Brandenburger CDU in Cottbus vor rund 2000 Zuhörern – deutlich mehr als erwartet. „Und die alten Länder müssen begreifen, dass es ihnen nur gut geht, wenn es den neuen Ländern gut geht.“

Die Cottbuser Kundgebung wurde immer wieder von Pfiffen begleitet – wegen der Ostdeutschen-Schelte von CSU-Chef Stoiber, aber auch wegen der „Verproletarisierungs“-Äußerungen von CDU-Landeschef und Innenminister Jörg Schönbohm. Allerdings fielen die Proteste geringer aus als in der CDU befürchtet. Zwar schlugen Merkel deutliche Skepsis und Unmut entgegen. Aber es flogen keine Eier in Cottbus und Krawalle blieben aus. Kein Vergleich zur Aggressivität, die Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) zunächst entgegenschlug, als er im Landtagswahlkampf 2004 auf den Marktplätzen „Hartz IV“ und andere unpopuläre Reformen der rot-grünen Bundesregierung verteidigte.

CDU-Politiker registrierten aufmerksam den nur kurzen und eher ruhigen Auftritt Schönbohms. Der sprach erstmals seit seinen umstrittenen „Verproletarisierungs-Thesen“ vor einer größeren Menge in Brandenburg, attackierte Rot-Grün und hob die Union als „Partei der Einheit“ hervor. Das gellende Pfeifkonzert, das ihn begleitete, fiel deutlich heftiger aus als bei Merkel, die während ihrer Rede zunehmend Nachdenklichkeit auslöste.

Die CDU-Chefin gab Fehler der Kohl-Regierung nach der Wende zu – und warb eindringlich für unpopuläre Unionspläne wie die Erhöhung der Mehrwertsteuer zur Reform Deutschlands. „Ich würde Ihnen auch gern mehr Kindergeld versprechen. Aber das wäre nicht redlich.“ Zugleich verteidigte die CDU-Chefin, dass die Union das bislang in Ost und West unterschiedliche Arbeitslosengeld II nicht angleichen will: Ziel sei eine Regionalisierung, also eine Höhe im Ermessen der Länder.

Unter Verweis auf ihre Herkunft ging Merkel auch auf die Situation in Brandenburg ein – am Beispiel des Bildungssystems. Es sei kein Zufall, dass es dem seit 1990 CDU-regierten Nachbarland Sachsen gelungen sei, jetzt fast Bayern bei der PISA-Studie zu überholen. Sachsen sei, trotz kurzer Schulzeit bis zum Abitur, bereits besser als Baden-Württemberg. Zwar gehe es seit der CDU-Regierungsbeteiligung auch in Brandenburg aufwärts. Trotzdem habe das Land da „vieles verpennt“.

Organisierte Gegendemonstranten kamen von der Gewerkschaft Verdi und von der Cottbuser Initiative für Montagsdemos. Beobachtern fiel auf, dass die Linkspartei nicht erkennbar auftrat. Dafür kam das mit Abstand größte Protestplakat von der örtlichen SPD: „Wir sind die frustrierten Proleten Ostdeutschlands. Schröder wählen.“ Schönbohm sagte dazu, die Union werde sich nicht auf dieses Niveau begeben und etwa Auftritte von Gerhard Schröder in Brandenburg stören.

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