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Brandenburg: Keine höheren Deiche, sondern mehr Platz für die Flüsse

Von Wieder ging es bei der Abwehr der Elbeflut in Brandenburg um wenige Zentimeter. Wäre der Pegel sowohl im südlichen Mühlberg als auch in der nordwestlichen Prignitz nur etwas höher geklettert, hätten selbst die tausenden Helfer nichts ausrichten können.

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Wieder ging es bei der Abwehr der Elbeflut in Brandenburg um wenige Zentimeter. Wäre der Pegel sowohl im südlichen Mühlberg als auch in der nordwestlichen Prignitz nur etwas höher geklettert, hätten selbst die tausenden Helfer nichts ausrichten können. Sandsäcke allein halten dem gewaltigen Druck der Wassermassen nicht stand. So aber überstand Brandenburg wie schon im August 2002 ohne großflächige Überschwemmungen die gefährliche Situation. Es kann schon fast gefeiert werden – auch wenn der Druck auf die Deiche wohl noch einige Tage andauern wird.

Doch die gute Laune trübt leider auch den klaren Blick nach vorn. Fast überall wird es so weitergehen wie bisher: Die Dämme werden höher und stärker ausgebaut, damit sie auch der nächsten Flut trotzen können.

Dabei beherrschte schon 1997 ein überzeugendes Schlagwort die Medien: „Gebt den Flüssen mehr Raum“. Damals eroberte sich die Oder ihr altes Bett in der Ziltendorfer Niederung zwischen Frankfurt und Eisenhüttenstadt zurück. Angesichts der Überflutung von mehr als 300 Häusern rieten Experten damals zur Aufgabe der Siedlungen. Die Bewohner sollten neue Häuser an sicheren Standorten erhalten. Das klang spektakulär, doch gerade in Brandenburg wäre das fast ein Routinefall gewesen. Dutzende Dörfer mussten hier dem Braunkohletagebau weichen, und auch die Umsiedlungspläne für den Großflughafen Schönefeld nahmen schon konkrete Züge an.

Doch der damalige Ministerpräsident Stolpe stoppte alle Gedankenspiele. Die Ziltendorfer Niederung werde wieder aufgebaut und erhalte sichere Deiche, beschied er. Nicht einmal zur Ausweisung von Überschwemmungsflächen ist es gekommen. Man hatte schließlich eine „Jahrhundertflut“ überstanden, die so schnell nicht wiederkomme.

An der Elbe wiederholte sich das Dilemma. Nach der Katastrophe 2002 nahmen sich die Experten den Flusslauf zwischen Sachsen und Niedersachsen vor und schlugen 15 große Baustellen vor. Hier sollte der Deich ins Landesinnere verlegt und begradigt werden, um dem Strom tatsächlich mehr Platz zu geben und ihm seinen Druck im Hochwasserfall zu nehmen. Doch was geschah in den fast vier Jahren? Ein einziges Projekt wurde tatsächlich Ende 2005 in Angriff genommen. Im brandenburgischen Lenzen im Dreiländereck mit Niedersachsen und Mecklenburg, also im Unterlauf des Flusses, wird der Deich auf sechs Kilometern um bis zu 500 Metern ins Landesinnere zurückverlegt. 420 Hektar Flutungsfläche entstehen dadurch. Ab 2007 sollen davon auch Hitzacker und Lauenburg profitieren.

Brandenburg verdient dafür zwar viel Lob, aber auch hier scheiterte ein Projekt am Widerstand der Anwohner. Ausgerechnet in Rühstädt, wo die Rettung der Prignitz in der Nacht zu gestern am seidenen Faden hing, gingen Landwirte, Jäger und Fischer auf die Barrikaden. Nein, ihr Land und ihre Rechte wollten sie für eine neue Lage des Deiches nicht hergeben. So bleibt es hier fast wie überall: Die alten Dämme werden höher und stärker, um bei der nächsten Flut wieder nur angespannt auf die Pegel und die Zentimeter zu schauen und tausende Helfer zu mobilisieren.

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