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Kinderwagen

© Seidenstücker/Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz

Kinder: Tragen, schieben, wuchten

Wie man mit Kindern vorwärtskommt – oder auch nicht, zeigen die Ausstellung "KinderMobil" im Museum Europäischer Kulturen und zwei Lesungen.

Die Jungfrau Maria trägt das Jesuskind im Arm und auf der Hüfte, ganz selbstverständlich. Doch wer weiß – vielleicht hätte die Mutter Gottes einen Buggy vorgezogen? Heutzutage nutzen Mütter und Väter eine breite Palette an Transporthilfen für ihren Nachwuchs: Nicht nur Tragetuch und Tragesack kommen zum Einsatz, auch Kinderwagen, Rucksack, Autoschale, Fahrradanhänger und Fahrradsitz. Die Eltern klappen auf und klappen zu, schieben, ziehen, befestigen Gurte, schrauben und knoten – Mobilität hat auch heute ihren Preis.

Eine hübsche Ausstellung im Museum Europäischer Kulturen in Dahlem hat sich genau das zum Thema gemacht: Wie haben Eltern und Kinder sich über die Jahrhunderte hin fortbewegt? Zum Beispiel mit „Kindertragemänteln“ – in der Ausstellung kann man sie anprobieren. Moderne und nostalgische Kinderwagenmodelle sind ebenso zu sehen wie DDR-Fahrradsitze und ganz aktuelle Bobbycars und Laufräder, mit denen kleine Besucher durch die Ausstellung flitzen dürfen.

Einige der ausgestellten historischen Gegenstände dienten eher dazu, die kindliche Mobilität einzuschränken: Bis ins 18. Jahrhundert hinein wurden Neugeborene von Kopf bis Fuß fest eingewickelt. Und wenn die Kinder laufen konnten, steckte man sie in Kleidchen mit an den Schultern befestigten Riemen – die Kleinen gingen im wahrsten Sinne des Wortes am „Gängelband“.

Der Kinderwagen wurde erst Mitte des 19. Jahrhunderts erfunden. Zwar kannte man auch vorher schon Stubenwagen, die die Mutter in Haus und Hof hinter sich herziehen konnte. Aber der forsch durch die Straßen geschobene Kinderwagen setzte sich erst spät durch, zuerst als Statussymbol für die oberen Klassen.

In den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts kamen Kinderwagen im Autolook auf – damals galt es noch als peinlich, wenn auch Papa schob. Heute müssen die Wagen zusammengeklappt in den Kofferraum passen. Denn die Eltern legen oft weite Strecken zurück, während die Kinder immer mehr sitzen: im Auto oder vor dem Bildschirm. Die Geschichte der Mobilität mit Kindern, so die Kuratorin der Ausstellung Jane Redlin, sagt viel aus über unser Verhältnis zum Körper, zum Nachwuchs und über die Arbeitsverteilung zwischen Mann und Frau.

An den kommenden beiden Samstagen können Besucher die Ausstellung mit Programm erleben: Tagesspiegel-Redakteurin Dorothee Nolte liest im Gartencafé aus ihren Mutterkolumnen, die im Tagesspiegel und in zwei Bänden bei dtv erschienen sind. Sie handeln auch davon, wie man mit Nachwuchs mobil bleibt. „Einst schritt ich frei und strahlend durchs Leben wie ein Held aus der griechischen Sage“, heißt es etwa. „Enge Gänge durchquerte ich mit erhobenem Kopf, Treppen schwebte ich leichtfüßig empor. Dann kam der Kinderwagen.“

Zur Lesung reicht das Museumscafé eßkultur Blechkuchen satt. Kinder können derweil in dem parkähnlichen Garten Bewegungsspiele mitmachen – oder sich einfach frank und frei austoben.

Ausstellung „KinderMobil“ im Museum Europäischer Kulturen, Arnimallee 25, Dahlem, noch bis zum 1. Januar 2008. Lesung mit Dorothee Nolte am 11. und 18. August, jeweils 15-18 Uhr. Der Eintritt von 10 Euro (ermäßigt 5 Euro) schließt den Museumseintritt ein, eine Führung durch die Ausstellung, die Lesung, ggf. Kinderbetreuung sowie Kaffee und Kuchen. Anmeldung erwünscht unter 6808 93 44.

Sabine Moritz

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