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Brandenburg: Klassenkampf in der Stadt Brandenburg

Graf Lambsdorff sollte Ehrenbürger werden, aber PDS und SPD verhinderten das – nicht nur die Oberbürgermeisterin ist empört

Brandenburg/Havel - Beschämend, blamabel, kleinkariert. So kann man das Echo auf die Entscheidung der Stadt Brandenburg zusammenfassen, dem Liberalen Otto Graf Lambsdorff die Ehrenbürgerwürde zu verweigern. Oberbürgermeisterin Dietlind Tiemann (CDU) entschuldigte sich gestern schriftlich bei dem 80-jährigen Ehrenvorsitzenden der FDP für den Fauxpas der Stadtverordneten: Leider sei „der Wunsch der überwiegenden Mehrheit der Brandenburgerinnen und Brandenburger nicht in Erfüllung gegangen, Ihnen für Ihre Verdienste um unsere Stadt und den Brandenburger Dom die Ehrenbürgerwürde von Brandenburg an der Havel zu verleihen“, heißt es in ihrem dem Tagesspiegel vorliegenden Schreiben. Wie sie selbst seien viele Menschen in der Stadt „und in allen Teilen Deutschlands fassungslos“, so Tiemann. Im Namen aller, die mit diesem Votum nicht einverstanden seien, bringe sie ihr „tiefes Bedauern“ zum Ausdruck. Die Stadt Brandenburg habe eine große Chance verpasst.

Lambsdorff, der als Junge die Ritterakademie der Stadt besuchte, hat sich über viele Jahre für die Rettung des Doms, der „Wiege der Mark“, engagiert. Er war Mitbegründer und Kuratoriumsvorsitzender des Fördervereins zur Rettung des Doms und hat maßgeblich dazu beigetragen, dass private Spenden in Millionenhöhe für die Sanierung des Wahrzeichens Brandenburgs zusammenkamen.

Dennoch stimmten die PDS-Fraktion und Stadtverordnete der SPD jetzt gegen die Ehrenbürgerwürde für Graf Lambsdorff, so dass die nötige Zweidrittel- mehrheit knapp mit zwei Stimmen verfehlt wurde. Die PDS fand, dass Ehrenbürger nur jene sein sollten, „die sich individuell besonders herausragend um unsere Stadt Brandenburg an der Havel verdient gemacht haben“. Für Graf Lambsdorff treffe das nicht zu, weil sich viele für die Rettung des Doms eingesetzt hätten, bereits zu DDR-Zeiten: „Die Rettung des Doms ist ein Gemeinschaftswerk vieler mithelfender Hände, das unserer Ansicht nach nicht mit der besonderen Heraushebung nur eines einzelnen Beteiligten angemessen gewürdigt werden kann.“ Wörtlich erklärte die Stadt-PDS: „Immerhin steht der Dom heute nur noch, weil bereits seit 1961 zu DDR-Zeiten umfangreiche Arbeiten zur Sicherung der Statik ausgeführt wurden.“

Was die PDS-Genossen verschweigen: Denkmalpfleger mussten Anfang und Mitte der 90er Jahre Alarm schlagen und der Dom gesperrt werden: die ursprünglich romanische und in der Spätgotik umgebaute Kathedrale, auf Sumpf errichtet, sei einsturzgefährdet. „SOS – Dom in Not“, lautete damals ein Spendenaufruf, der deutschlandweit für Aufsehen erregte.

Verbündete bei der Ablehnung der Ehrenbürgerwürde für Graf Lambsdorff fanden die SED-Nachfolger ausgerechnet in erst nach der Wende aus dem Westen zugezogenen SPD-Linken, die Lambsdorff immer noch seine Mitbeteiligung am Sturz der sozial-liberalen Koalition 1982 in Bonn und seine Verwicklung in die Flick-Spendenaffäre nachtragen.

Peinlich ist der Vorgang auch für Ex-Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD), der den SPD-Linken in der Havelstadt vorher vergeblich ins Gewissen geredet hatte: Er selbst habe Lambsdorff Anfang der 90er Jahre gebeten, sich für den Dom zu engagieren. Auch dem Vize-Chef der PDS-Landtagsfraktion, Heinz Vietze, gelang es nicht, die Hardliner seiner Partei in Brandenburg umzustimmen. Was auch nicht verwundern kann, wenn man weiß, dass der dortige PDS-Fraktionschef Alfredo Förster den Festakt zum Tag der deutschen Einheit im Dom aus Protest gegen den Choral „Großer Gott, wir loben Dich“ demonstrativ verlassen hatte.

Klassenkampf in Brandenburg – der Imageschaden ist groß: Nicht nur Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) meint: „Das spricht sich herum, das ist kein Anreiz, sich zu engagieren.“

Michael Mara

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