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Kleinmachnow nach Entführung: Kein Kind darf allein nach Hause gehen

Der Täter ist gefasst, das Kind wohlauf. Doch am Tag nach der Entführung einer Vierjährigen aus einer Neubausiedlung in Kleinmachnow sind die Anwohner verunsichert. Viele fühlen sich weiterhin bedroht.

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Die Spurensuche am Tag danach führt auf beide Seiten der Berliner Stadtgrenze, nach Kleinmachnow und nach Zehlendorf. Der Tierfutterladen von Carsten W. im Süden Berlins ist geschlossen, und das schon seit dem Herbst. W. habe sich auf den Lieferdienst konzentrieren wollen, sagt der Verkäufer aus der benachbarten Confiserie. Auch die gehört Carsten W.; der Verkäufer ist also ein Angestellter des mutmaßlichen Kindesentführers. Freundlich sei der Chef gewesen, von Geldsorgen wisse er nichts, erzählt der Verkäufer.

Andere Händler und Wirte in der Ladenstraße wollen W. nicht näher gekannt haben. Schockiert sind alle. Im Bistro nebenan, wo sich W. oft Mittagessen geholt hat, schütteln sie die Köpfe: "Jeder kann mal in Geldnot geraten", sagt ein Gast: "Aber sich an einem Kind zu vergreifen, ist unverzeihlich."

Eine Verkäuferin erzählt, W. sei sehr liebevoll mit Kindern umgegangen - mit seinen eigenen, aber auch mit anderen auf den zweimal im Jahr von den Händlern im Kiez organisierten Festen. Nur eine Anwohnerin ist nicht überrascht: "Als ich von der Entführung hörte, musste ich sofort an Carsten W. denken", sagt sie: "Er hat so unglücklich gewirkt, als er letztes Jahr den Laden aufgab."

Fünf Kilometer weiter südlich, in der Kleinmachnower Hufeisen-Siedlung, berichten Eltern von ihrem Tag nach der Entführung der Vierjährigen. Sabine Schroeder beispielsweise hat an diesem Freitagmorgen ihre Kinder mit dem Auto zu Kita und Schule gefahren. "Als wir aus dem Haus traten, habe ich mich zuerst umgeschaut", erzählt die Mutter. Sonst gehe ihre Tochter vor, öffne das Gartentor. Aber nicht heute. Letztes Jahr sei die große Tochter beim Skaten von einem Unbekannten aus einem weißen Auto heraus fotografiert worden. Die Sache sei nie aufgeklärt worden.

Die Nachricht von der Entführung hatte sich am Donnerstag schnell verbreitet. Kein Kind durfte allein aus Kitas oder Schulen nach Hause gehen. Am Freitag berichten mehrere Eltern schaurige Geschichten von Männern, die Kinder mit Katzenbabys locken und sie sexuell belästigten. Zuletzt hatte ein Nackter im Sommer zwei Mädchen mit dem Auto verfolgt. "Es ist ein Gefühl der Bedrohung entstanden", sagt Joachim Schossau. Der Familienvater sitzt im Elternrat der Steinweg-Schule. Einmal im Quartal, schätzt er, werde ein neuer Vorfall bekannt. Die Kinder würden selbst auf kurzen Strecken stets begleitet.

Auch Alexandra und Emily kennen die Geschichten von den Männern, die im Ort immer wieder gesichtet wurden. Ein Glatzkopf mit langem Mantel habe eine Freundin aus der Parallelklasse verfolgt, erzählen sie. "Auch ein anderes Mädchen aus der ersten Klasse wurde schon von einem Mann angesprochen, sagt Emily. "Sie ist ganz schnell weggelaufen und hat Hilfe gesucht." In der Schule werde viel über solche Dinge gesprochen.

Wolfgang Kremer, Sprecher der Elterninitiative "Kinder ohne Lehrer", findet die Debatte um die Schließung der Polizeiwache im nahen Teltow höchst bedenklich. Der direkte Kontakt zur Polizei gehe verloren, "und es dauert eben länger, um mit dem Streifenwagen von Potsdam bis hierher zu kommen."

Kleinmachnows Bürgermeister Michael Grubert (SPD) wirbt indes um Zurückhaltung. In den vergangenen Monaten habe es in Kleinmachnow keine neuen Fälle von sexueller Belästigung gegeben, sagt er. Nach einer Häufung von Anzeigen sei ein Täter gefasst worden und die Lage wieder ruhig. Aber die Polizeiwache in Teltow müsse bleiben - nicht wegen des aktuellen Falles, sondern weil der Berliner Speckgürtel generell im Visier von Kriminellen liege.

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