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Brandenburg: Knapp an der Blamage vorbei

Bei der Wahl zum Ministerpräsidenten fehlten Platzeck mindestens sechs Stimmen der eigenen Koalition

Potsdam - „Es hätte schlimmer kommen können“, kommentierte Matthias Platzeck (SPD) kurz nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten. Dabei war die Abstimmung so knapp ausgegangen wie noch nie in Brandenburg. Um 12.32 Uhr fuhr manchem Genossen der Schreck in die Glieder, als der neue Landtagspräsident Gunter Fritsch das Wahlergebnis verkündete: 47 Jastimmen für Platzeck – nur zwei mehr als erforderlich. 36 Abgeordneten hatten mit Nein gestimmt, vier sich der Stimme enthalten.

Sofort wurde gerechnet, wild spekuliert: Die Koalition aus SPD und CDU hat zusammen 53 Abgeordnete. Also muss es sechs Abweichler in den eigenen Reihen gegeben haben. Vorausgesetzt, dass PDS und rechtsextreme DVU geschlossen gegen Platzeck votierten. Anderenfalls wären es sogar noch mehr.

Beinahe also hätte Platzecks neue Amtsperiode mit einer gewaltigen Blamage begonnen. Man sah es am Mienenspiel des oft nassforschen neuen SPD-Fraktionschefs Günter Baaske. Er wollte den Verdacht zunächst auf die CDU lenken, später räumte er ein, dass es in der SPD wegen Platzecks rigider Personalpolitik Verärgerung gebe. Manche Enttäuschte, wie der abservierte Ex-Bildungsminister Steffen Reiche, schlichen mit hängenden Schultern und bitterer Miene durch den Landtag. Man habe vor der Wahl „hochgerechnet“, verriet ein Platzeck-Vertrauter, und sei „auf neun Frustrierte“ in der SPD-Fraktion gekommen. Daher habe man sogar einen zweiten Wahlgang einkalkuliert. „Ich bin doch kein Traumtänzer“, sagte Platzeck. Groll hege er aber nicht. Deutlicher wurde der parlamentarische Geschäftsführer Christoph Schulze: „Hinterhältige Heckenschützen“.

CDU-Landeschef und Innenminister Jörg Schönbohm, dessen Personalpolitik in der CDU ebenfalls auf Kritik stieß, reagierte nachdenklich. „Kein gutes Zeichen“, sagte er. Die Frage, die er und Platzeck sich nun stellen müssen: Wie kann man die Frustrierten in beiden Fraktionen integrieren? Schließlich haben SPD und CDU nur eine Mehrheit von acht Abgeordneten. Andererseits sind die Herausforderungen gewaltig, muss Unpopuläres beschlossen werden.

„Ein Weiter so darf es nicht geben“, bekräftigte der 67-jährige Schönbohm erneut, als er als Alterspräsident die konstituierende Sitzung des Landtages eröffnete: „Sagen wir, wie es ist, was zu tun ist, und vor allem fangen wir an, es auch zu tun!“ Und weiter: „Wir müssen zupackender werden, quirliger, tatkräftiger.“ Sonst werde Brandenburg den Abstand zu anderen Ländern nicht aufholen. Die Kluft zwischen Ost und West dürfe nicht mehr größer werden, betonte Schönbohm in der Ansprache und mahnte, gesamtdeutsch zu denken.

Dies sei eine ausgewogene Rede gewesen, lobten danach viele. Nur in der PDS rührte sich kaum eine Hand zum Beifall. Sitzen die Feindbilder so tief? Wissenschaftsministerin Johanna Wanka (CDU) machte aus ihrer Empörung darüber keinen Hehl: Die PDS habe keinen Stil. Immerhin beglückwünschten die führenden Genossen, allen voran der zum Landtags- Vizepräsidenten gewählte Lothar Bisky, die vereidigte neue Regierung: Nur PDS-Fraktionschefin Dagmar Enkelmann stichelte in Anspielung auf Platzecks Amtsschwur, alles für das Wohl des Landes zu tun: „Ich wünsche dir, dass du alles tust, um heute keinen Meineid geleistet zu haben.“

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