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Brandenburg: Kohle machen ohne Klimakiller

Vattenfall stellt die weltweit erste Testanlage eines „CO2-freien“ Kraftwerks vor. Doch viele sind skeptisch

Von Sandra Dassler

Jänschwalde - Ziemlich viel Prominenz und Presse reiste am Gründonnerstag auf Einladung des Energiekonzerns Vattenfall ins Kraftwerk Jänschwalde. Schließlich wird einem nicht alle Tage die „weltweit erste Testanlage für ein CO2-freies Kraftwerk“ präsentiert. Angesichts der aktuellen Diskussion um Klimakatastrophe und Energiepolitik entbehrte der Termin nicht der Brisanz. Brandenburgs Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns (CDU) wetterte in seiner Grußrede denn auch prompt erst einmal gegen die „derzeitige Verteufelung der Braunkohle“.

Allerdings bestritten weder er noch die Vertreter von Vattenfall, dass der CO2-Ausstoß der bislang betriebenen Kraftwerke dramatisch reduziert werden muss, wenn Politik und Bevölkerung auch künftig die Gewinnung von Strom aus Braunkohle akzeptieren sollen. Das dabei entstehende Kohlendioxid gilt als eine der Hauptursachen für den Treibhauseffekt.

Wissenschaftler der Universität Cottbus haben daher im Auftrag von Vattenfall die Jänschwalder Testanlage entwickelt. Dort wird die Kohle, vereinfacht gesagt, statt mit Luft in einem Gemisch aus Rauchgas und Sauerstoff verbrannt. Das herausgefilterte CO2 soll unter hohem Druck verflüssigt und in Salzwasser führenden Schichten rund 700 Meter unter der Erde gelagert werden. So würde es die Atmosphäre nicht mehr belasten.

Schon im Mai 2008 soll die Pilotanlage eines „CO2-freien“ Kraftwerks in Schwarze Pumpe mit einer Leistung von 300 Megawatt in Betrieb gehen, kündigte der Vorstandsvorsitzende von Vattenfall, Klaus Rauscher, an. In zehn, fünfzehn Jahren könne man die Technologie vervollkommnen, eine neue, umweltfreundliche Kraftwerksgeneration entwickeln und bestehende Kraftwerke nachrüsten.

Journalisten, die auch angesichts der bereits laufenden Jänschwalder Testanlage an Machbarkeit und Effizienz des neuen Verfahrens zweifelten, antwortete Vattenfall-Chef Rauscher mit einem alten Vergleich: Als vor 170 Jahren die erste Eisenbahn mit 17 oder 18 Stundenkilometer von Nürnberg nach Fürth gezuckelt sei, hätten auch viele gezweifelt. Damals habe man sich Gedanken gemacht, welche gesundheitlichen Schäden bei dieser Geschwindigkeit auftreten. Heute fahre man im TGV mit 570 Stundenkilometern. „Dem Ingenieur ist nichts zu schwer“, sagte Rauscher, gab aber zu, dass der Konzern Vattenfall, der bereits jetzt rund 60 Millionen Euro in die Testanlage investiert, ein gewisses Risiko eingehe.

Der Vattenfall-Chef kritisierte zugleich die verschärften Vorgaben der EU-Kommission zur CO2-Emission. Diese träfen die Braunkohle und die ostdeutsche Energiewirtschaft. „Hier gibt es kaum noch industrielle Kerne“, sagte Rauscher. Vattenfall wolle weiter Kohle fördern und Arbeitsplätze erhalten. Minister Junghanns ergänzte, in Brandenburg sei es „geradezu verboten“, sich eine Zukunft ohne Braunkohle vorzustellen. Außerdem sei ein heimischer Rohstoff wichtig, um die Abhängigkeit Deutschlands vom internationalen Energiemarkt zu verringern. Deshalb setze die Landesregierung auf einen Mix aus Kohle und erneuerbaren Energien.

Kritiker werfen Junghanns und Vattenfall vor, dass die Ausfilterung des Kohlendioxids viel zu teuer sei und man das Geld lieber in die Entwicklung alternativer Energien investieren solle. Selbst wenn die Technologie funktioniere, komme die Reduzierung des CO2-Ausstoßes zu spät. Außerdem sei die Lagerung des flüssigen Kohlendioxids unter der Erde zu riskant.

Das wurde von Vattenfall-Chef Rauscher bestritten: Man teste zurzeit unter anderem im westlich Berlins gelegenen Ketzin sehr gründlich, ob eine Lagerung im ehemaligen unterirdischen Erdgasspeicher möglich sei. Eines musste aber selbst Rauscher zugeben: Der Begriff „CO2–freies“ Kraftwerk sei nicht ganz richtig. „CO2-ärmer“ treffe es wohl besser.

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