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Valentin Hirsch betreibt ein Tattoo-Studio in Neukölln.

© Ériver Hijano

Kolumne „Sicherheit oder Freiheit“: Valentin Hirsch: „Mit Angst keine Kunst“

Der bekannte Berliner Tattoo-Künstler Valentin Hirsch erzählt, wann er sich zwischen Sicherheit und Freiheit entscheiden musste.

Valentin Hirsch, wann mussten Sie sich zwischen Sicherheit und Freiheit entscheiden?

„Als ich 2009 von Wien nach Berlin zog, hatte ich nichts. Kein Einkommen, kaum Kontakte und nur eine fixe Idee im Kopf: Ich wollte tätowieren lernen.

In Wien hatte ich viel geraucht, mich wochenlang in meine Kunst vergraben und Radierungen und Drucke angefertigt. Ich hatte nicht einmal einen Computer oder eine Kreditkarte - meine erste Tätowiermaschine bestellte mir ein Freund.

In Berlin nervte ich einen Tätowierer in der Nachbarschaft: Ich wollte in seinem Studio rumhängen, den Geruch des Desinfektionsalkohols einatmen und zusehen, wie er arbeitet. Er war skeptisch, aber meine Zeichnungen haben ihn überzeugt. Ich durfte Ausbesserungsarbeiten vornehmen, kleine Motive stechen, später in einem größeren Studio auch eigene Entwürfe. Aber davon leben konnte ich nicht.

Also nahm ich Jobs an. In einer Küche im Berliner Westen, in einer Druckerei am Hermannplatz. Druckplatten einstreichen, Papier aufziehen. Aber ich merkte bald, dass ich für die Arbeit als Assistent nicht gemacht bin. Eines Tages kam es deswegen zu einem irrsinnigen Streit. Ich bin einfach abgehauen und dachte, das wird sich wieder legen. Aber als ich anrief, sagte der Chef nur: Du brauchst nie wieder zu kommen. Das war hart. Ich hatte geglaubt, der Streit sei ein Ventil, und danach würde die Zusammenarbeit einfacher - außerdem war ich gerade Vater geworden. Ich musste Hartz IV beantragen. Meine Freundin und ich mussten dafür alles, alles offenlegen. Aber es war trotzdem richtig.

Ich habe mich komplett zurückgezogen und auf meine Entwürfe, meine Vorstellung von Tattoos als Kunst konzentriert. Von der Idee von Sicherheit hatte ich mich während des Kunststudiums schon verabschiedet: Man kann keine Kunst machen, wenn man aus Angst handelt.“

Valentin Hirsch wurde 1978 in Eschwege in Hessen geboren. Er studierte Grafik und Kunst bei Gunter Damisch an der Akademie der bildenden Künste in Wien und zog 2010 nach Berlin. Hier wechselte Hirsch das Medium für seine künstlerischen Arbeiten: von Papier zu Haut. 2015 erschien das Kunstbuch „Symmetries“, das Hirschs tätowierte Werke versammelt. Auf Instagram hat Hirsch über 70.000 Abonnenten, in Neukölln betreibt er sein eigenes Tattoo-Studio.

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