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Kommunalwahlen: Eintracht Frankfurt

An der Oder wollen die Parteien das Gleiche: die Schaffung neuer Arbeitsplätze ist das wichtigste Ziel. Nur der Stadtumbau macht Ärger - wegen schlechter Planung der etablierten Parteien können neue Wählergemeinschaften auf Stimmen hoffen.

Von Sandra Dassler

„Wahlkampf? So richtig findet der gar nicht statt“, sagt Volker Kulle. Der 61-jährige Gewerkschaftssekretär, der 1991 vom Niederrhein an die Oder gekommen ist, saß jahrelang für die SPD in der Stadtverordnetenversammlung. Diesmal kandidiert er für die Linke.

„Ich war immer links, aber nach mehr als 30 Jahren hat mich meine SPD verlassen“, sagt er – und nennt die Sozialpolitik der Sozialdemokraten als Grund für seinen Wechsel. Für die Frankfurter Kommunalpolitik spielt Kulles Übertritt keine große Rolle. In der Stadt regiert ein Bündnis von CDU und SPD, aber ohne Koalitionsvereinbarung. Da die SPD nicht immer geschlossen abstimmt, muss sich der christdemokratische Oberbürgermeister Martin Patzelt die Mehrheit oft bei anderen Fraktionen holen.

„Zum Glück ziehen in Frankfurt alle an einem Strang, wenn es um Wirtschaftsansiedlungen und Jobs geht“, lobt Martin Wilke, der Geschäftsführer der Investor Center Ostbrandenburg GmbH (Icob). Tatsächlich proklamieren alle etablierten Parteien auch für die kommende Legislaturperiode die Schaffung neuer Arbeitsplätze als wichtigstes Ziel. Das habe Tradition, sagt Volker Kulle. „Hinter der Chipfabrik standen damals auch alle.“

Das Scheitern der Chipfabrik erwies sich am Ende als Glück, meint Icob-Geschäftsführer Martin Wilke. „Die Infrastruktur dafür war fertig, deshalb können wir Investoren nun einzigartige Bedingungen bieten. Allein bei den Solarunternehmen sind bereits 900 Jobs entstanden, im Dienstleistungssektor sogar 1500.“

Gewerkschaftssekretär Volker Kulle kann da nur verächtlich schnaufen: „Dienstleistungen? Das sind Callcenter. Was da gezahlt wird, reicht ja nicht mal zur Existenzsicherung. Allenfalls Nebenjobs sind das, Billigjobs.“

Diese Haltung sei typisch für die Linke, ärgert sich Martin Patzelt: „Die müssen immer alles schlechtreden.“ Der CDU-Oberbürgermeister wünscht sich daher, dass die SPD bei den Wahlen zulegt und die Linke nicht die angestrebte absolute Mehrheit erreicht. „Wir haben so viel geschafft: die Arbeitslosigkeit ist von 20 auf 15 Prozent gesunken, das Verhältnis zu Polen hat sich normalisiert, die Europauniversität Viadrina ist – nicht nur wegen ihrer ehemaligen Präsidentin Gesine Schwan – unser Aushängeschild. Und sie bringt junges Leben in die Stadt.“

Das ist wichtig, denn seit der Wende haben rund 24 000 Menschen Frankfurt verlassen – 28 Prozent der Einwohner. Der dadurch notwendig gewordene Wohnungsabriss hat gleich zwei Wählergemeinschaften hervorgebracht – ein Novum im Land. Weil ältere Einwohner wegen falscher Planung zwei, drei Mal umziehen mussten, können die Bürgerinitiative Stadtentwicklung und die Bürgeriniative Stadtumbau auf einige Stimmen hoffen.

Die Abwanderung hat sich inzwischen aber verlangsamt, auch weil einige polnische Bürger aus dem benachbarten Slubice, wo Wohnungen knapp sind, nach Frankfurt zogen. Viele Berliner, die hier arbeiten, schrecken hingegen vor einem Umzug immer noch zurück, ärgert sich der Oberbürgermeister. „Etwas mehr bürgerliches Engagement täte der Stadt gut .“

Ulrich Scherding sieht das genauso. Der 45-jährige Staatsanwalt kam 1995 aus dem Ruhrgebiet hierher. In diesem Jahr kandidiert er erstmals für die CDU: „Ich will mich engagieren“, sagt er, „und die Union betont die positiven Ansätze.“ Wie viele CDU-Mitglieder hoffe er, dass „die Frankfurter jene wählen, die am konsequentesten für neue Arbeitsplätze eintreten“. Oft hört man – nicht nur bei den Christdemokraten – dass die Stadt dem in Frankfurt lebenden brandenburgischen Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns (CDU) viel zu verdanken habe. Deshalb hofft mancher gar insgeheim auf ein Ende der rot-schwarzen Koalition im Land nach der Wahl im nächsten Jahr. Denn 2010 muss Patzelt aus Altersgründen abtreten, und Junghanns, so heißt es, wäre ein idealer Nachfolger. 

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