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Brandenburg: Kommunen in Not: Stadt Niemegk leistet Offenbarungseid Die Gemeinde im Fläming hat kein Geld mehr für Löhne

Für Landrat und Städtebund ist der Fall exemplarisch

Bislang gibt es wohl keinen vergleichbaren Fall in Brandenburg: Die Stadt Niemegk im Landkreis Potsdam-Mittelmark ist faktisch pleite – sie kann den Angestellten in Kindergarten, Hort und Schulküche die Gehälter nicht oder nur in Abschlägen zahlen. „Unsere Kassen sind leer“, bestätigte Eckhard Zorn (SPD), der ehrenamtliche Bürgermeister des 2400-Einwohner-Ortes im Fläming. Und neue Kredite würden von den Banken nicht genehmigt.

Zwar wird jetzt zusammen mit dem Landkreis nach einer Lösung gesucht und diese wohl auch gefunden werden, wie der Belziger Landrat Lothar Koch (SPD) zusichert. Koch hat sich inzwischen an das Potsdamer Innenministerium gewandt, damit Niemegk Liquiditätshilfen aus dem Sonderfonds für in Not geratene märkische Gemeinden erhält. Aber nicht nur für Bürgermeister Zorn liegt die Wurzel des Offenbarungseides in der unzureichenden Kommunalfinanzierung im Land. „Die Landesregierung muss endlich aufwachen.“

Tatsächlich ist Niemegk – 2400 Einwohner, davon 219 arbeitslos, kaum Gewerbe – eine typische kleine brandenburgische Gemeinde. Und ihr Haushalt ist, wie anderswo auch, seit Jahren defizitär. „Die Zuweisungen vom Land wurden immer weniger, eigene Einnahmen wachsen nicht. Durch staatliche Vorgaben müssen wir immer mehr Aufgaben übernehmen“, beschreibt Bürgermeister Zorn die Abwärtsspirale. Dass sich Niemegk selbst in die Misere gewirtschaftet haben könnte, wie manche wegen des kürzlichen Wechsels in der Kämmerei vermuteten, weist der Bürgermeister vehement mit einem Rechenbeispiel zurück: „Wenn man die Zuweisungen für Niemegk mit den Pflichtausgaben für den Kreis, das Amt und die Schule verrechnet, bleiben unterm Strich 180000 Euro Miese."

Die fehlende Summe wurde bisher über Kredite finanziert. Bis es jetzt eben nicht mehr ging. Bürgermeister Eckhard Zorn prophezeit, dass weitere Orte folgen werden, die ihren Rathaus-Angestellten die Gehälter nicht mehr zahlen können. Der Kommunalverband geht davon aus, dass zwei von drei Gemeinden im Land keine ausgeglichenen Haushalte mehr haben – die Differenz wird über Kredite oder durch Verkauf von Tafelsilber finanziert.

Der Fall Niemegk, sagt auch Landrat Lothar Koch (SPD), sei exemplarisch für die Situation vieler Gemeinden im Landkreis und im ganzen Land. Im Innenministerium gibt es deshalb den Notfonds für „Pleitegemeinden“, wie ihn Landtagsabgeordnete inzwischen nennen: In den letzten drei Jahren bekamen etwa 60 Kommunen insgesamt 41,3 Millionen Euro . Im Haushalt 2004 sind rund 8 Millionen eingeplant.

Umso eindringlicher mahnt auch Geschäftsführer Karl-Ludwig Böttcher vom Brandenburger Städte- und Gemeindebund, dass das seit langem geforderte und von der Landesregierung versprochene „Finanzausgleichsgesetz“ (siehe Kasten) noch in diesem Jahr verabschiedet wird. Das soll den Kommunen Entlastung und Planungssicherheit bringen. Zwar hatten Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) und seine Genossen dieses Gesetz vehement gefordert. Doch den von Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) vorgelegten Entwurf weisen die Sozialdemokraten als „Schnellschuss“ zurück.

Auch im Kabinett gibt es Widerstände, was nicht verwundert: Denn mit dem neuen Gesetz sollen rund 300 Millionen Euro, die bislang die Ministerien über Förderbescheide selbst verteilen können, direkt zur freien Verwendung an die Kommunen ausgezahlt werden. Es ist aber, so warnt Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) vor zu hohen Erwartungen, kein zusätzlicher Geldregen für die Kommunen: Das Geld werde künftig nur anders verteilt. Eine Verabschiedung in diesem Jahr sei offen. Den Koalitionskrach, das Bremsen der eigenen Partei, sieht Städtebundgeschäftsführer Böttcher, der selbst SPD-Mitglied ist, mit Sorge: „Das ist nicht gut.“ Sicher habe der Schönbohm-Entwurf „Mängel“. Die könnte die Koalition „aber auch kurzfristig nachbessern.“

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