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Brandenburg: Kost the Ost

Brandenburg sollte seine Küche neu erfinden, rät ein Forscher

Potsdam. Je heißer der Sommer, desto größer die Verlockung: Das Berliner Umland empfiehlt sich mit klaren Seen, stillen Flusslandschaften und lauschigen Wäldern. Aber vor allem Tagestouristen aus Berlin und Westdeutschland beklagen das Fehlen einer attraktiven regionalen Küche. Während der Trend im Westen zur pfiffigen Regionalisierung geht, ist in Brandenburg davon wenig zu spüren: Unter der Überschrift „Kost the Ost in der Mark“ konstatiert Ulf Matthiesen von der Humboldt-Universität Berlin in einer jetzt gedruckt vorliegenden Analyse über die Ess- und Küchenkultur in Brandenburg: Sie sei für das „touristische Attraktionspotenzial“ des Landes „schlicht verheerend“. Der Handlungszwang sei groß, erst recht, da die Touristenzahlen rückläufig seien, schreibt der Professor, der sich auch schon mit einer Studie über „Verödung und Verblödung“ des ländlichen Brandenburgs einen Namen gemacht hat.

Das „Dauerproblem“ fasst er so zusammen: Nach dem politisch bedingten „Traditionsabriss“, nämlich der Ausmerzung der Guts- und Landküche, halten viele Märker weiterhin an ihren in DDR-Zeiten geprägten Geschmackspräferenzen fest: statt zarter Zanderfilets mit leckeren Kräutern aus heimischen Gewässern lieber das große Schnitzel mit der berühmt-berüchtigten Sättigungsbeilage. „Für den gelernten DDR-Bürger überwiegt weiter das Interesse an nahrhafter, robuster und preiswerter Kost in ordentlichen Portionen“, resümiert Matthiesen, der eine „esskulturelle Spaltung Ost-West“ sieht. Denn alles andere werde als „Übersteigerungen überheblicher Wessis“ abgetan.

Mit Blick auf die Entvölkerung der Randregionen einerseits und mögliche zusätzliche Einnahmen durch den Tourismus andererseits warnt er davor, dass Brandenburg eine seiner wenigen Stärken zu verspielen drohe: „Wenn es nicht entschlossener und qualitätsvoller zugleich den kulinarischen Groß-Trend einer Regionalisierung der Küchen- und Esskultur aufgreift . . . und intelligent interpretiert“. Regionale Produkte und Gerichte müssten eine mediterrane Note bekommen und zu vernünftigen Preisen bei guter Qualität weiterentwickelt oder neu erfunden werden. Wo sei, fragt Matthiesen, die Brandenburger Kartoffel, die es mit dem Bamberger Hörnchen aufnehmen könne? Oder wo der ungespritzte und mit Buchenholz geräucherte märkische Schinken zum Beelitzer Spargel? Neben einer Offensive zur Neuerfindung regionaler Produkte plädiert Matthiesen für eine Tourismus-Konzeption, in der „eine raffiniert-einfache Regionalküche einen zentralen Platz hat“. Er betont jedoch, dass es lange dauern wird, die Gewohnheiten zu ändern. Deshalb sollte man damit verstärkt in den Schulen anfangen, etwa mit einem Unterrichtsfach „Regionale Küchen Brandenburgs“ mit praktischen Übungen und Probeschmecken.

Michael Mara

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