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Mordprozess

© dpa

Kriminalität: Die Playstation war wichtiger als das Baby

Gestern begann der Mordprozess gegen die Eltern des sechs Monate alten Florian. Er war verhungert.

Von Sandra Dassler

Die junge Frau und der junge Mann auf der Anklagebank des Frankfurter Landgerichts schauen sich kein einziges Mal an. Dabei sind sie verheiratet, waren glücklich, haben sich noch vor einem Jahr auf die Geburt ihres ersten Kindes gefreut. Ein Wunschkind.

Jetzt ist der im August 2007 geborene Florian schon seit mehr als vier Monaten tot und seine Eltern sind des Mordes an ihrem Wunschkind angeklagt. Gestern begann der Prozess. Der Staatsanwalt verlas als erstes die Anklageschrift – und er schonte die beiden nicht.

Aus „Faulheit und Bevorzugung ihrer Spaßgesellschaftsinteressen“ hätten sie den Jungen „herzlos und ohne Mitgefühl“ verhungern und verdursten lassen, sagte er. Die Partys mit den Freunden, die Playstation, das Fernsehprogramm – alles sei ihnen wichtiger gewesen als Florian.

Der Junge war am Morgen des 13. Februar dieses Jahres nach einem Notruf seines Vaters gegen 2.30 Uhr leblos in der elterlichen Wohnung in Frankfurt aufgefunden worden. Er bestand nur noch aus Haut und Knochen, wog weniger als bei seiner Geburt knapp sechs Monate zuvor.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Florians Eltern schon im September 2007 begannen, die Flaschenmahlzeiten hinauszuzögern oder ausfallen zu lassen. Trotzdem habe der Säugling noch einen Tag vor seinem Tod von einem Arzt gerettet werden können. Doch der Junge wurde nach der Entlassung aus der Geburtsklinik nie von einem Arzt behandelt.

Seine Eltern hätten seinen Tod billigend in Kauf genommen, sagt der Staatsanwalt und sieht die Mordmerkmale der Grausamkeit, der niederen Beweggründe und der Verdeckung einer Straftat – der monatelangen Misshandlung von Florian – erfüllt. Sollten der 21-jährige Vater und die 20-jährige Mutter nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden, droht ihnen eine lebenslange Freiheitsstrafe. Damit mache es sich die Gesellschaft sehr einfach, sagt Rechtsanwalt Matthias Schöneburg. Er verteidigt Ulrike D., die Mutter von Florian.

Die zierliche junge Frau – fast möchte man sie ein Mädchen nennen – sitzt leichenblass vor Gericht. Die langen rotbraun getönten Haare fallen auf ein schwarzes Shirt, ihr linker Unterarm ist eingegipst, Folge einer Entzündung: sie hat während der Untersuchungshaft in einer Gärtnerei gearbeitet. Ulrike D. starrt die meiste Zeit wie in Trance vor sich hin, die Wimperntusche läuft über ihre geschwollenen Augenlider. Ja, sie wolle sich zur Anklage äußern, sagt sie. Aber dann fehlen ihr die Worte. Sie schweigt, ihr Anwalt bittet um eine Pause und schlägt vor, eine Erklärung mit seiner Mandantin zu erarbeiten, um ihr das Reden zu erleichtern. Manuel D., der Vater von Florian, lehnt – vermutlich auf Anraten seiner Verteidiger – jede Stellungnahme vor Gericht ab.

„Manuel D. war sicher der stärkere und erfahrenere in der Beziehung“, sagt Verteidiger Schöneburg: „Meine Mandantin hat zu ihm aufgeschaut, sich auf ihn verlassen.“ Ulrike D., erzählt er, sei dem Jugendamt bekannt gewesen, weil sie als Kind wegen einer Alkoholkrankheit der Mutter betreut werden musste. Später sei sie von zu Hause fortgelaufen, habe eine Lehre abgebrochen. In Berichten des Jugendamtes sei von depressiven Auffälligkeiten die Rede.„Im Prinzip hätte man wissen müssen, dass eine solche junge Frau mit der Versorgung eines Kindes völlig überfordert war“, sagt Verteidiger Schöneburg.

Auch die Deutsche Kinderhilfe hatte nach Bekanntwerden der näheren Umstände von einem „Versagen der Jugendhilfeeinrichtungen“ gesprochen. Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt.

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