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Kritische Masse Biomasse: Vattenfall will in Brandenburg und Berlin massiv Holzschnipsel nutzen

Der Energiekonzern Vattenfall hat offenbar Probleme, seine eigenen Pläne zur Verringerung der Kohlendioxid-Emissionen im Land Brandenburg durch die Nutzung von Biomasse in den Kohlekraftwerken zu erreichen.

In der Region gibt es schlicht zu wenig, und wie die in großem Stil importierte Biomasse in die Lausitz kommen soll, ist unklar. Das ist zumindest nach Meinung von Mitgliedern des Wirtschaftsausschusses im Landtag die Erkenntnis aus einem Auftritt des Vattenfallmanagements am Dienstag bei einer Anhörung zur Biomasse-Strategie des Landes. Zudem gibt es Zweifel am Sinn des geplanten Imports von Biomasse etwa aus Afrika – auch von den Potsdamer Klimaforschern.

Noch im Vorjahr hatte Vattenfalls Konzernspitze vor dem Wirtschaftsausschuss erklärt, bald im Kraftwerk Jänschwalde jährlich bis zu 500 000 Tonnen Biomasse zu nutzen und so den Kohlendioxid-Ausstoß zu reduzieren. Da Vattenfall mit seinen Braunkohlekraftwerken Brandenburgs größter CO2-Sünder ist – noch vor dem Straßenverkehr – ist das Land auch bei seiner Klimastrategie auf Reduzierungen bei Vattenfall angewiesen.

Als am Dienstag die Abgeordneten bei Jan Grundmann, Chef von Vattenfalls Alternativ-Tochter Vattenfall Europe New Energy, zur Umsetzung der Biomasse-Pläne nachfragten, hatte der wenig zu erklären. Nach Ansicht des CDU-Energieexperten Steeven Bretz sogar nichts: „Herr Grundmann war nicht aussagefähig.“ Er habe keine Antwort auf die Frage nach der Konzernstrategie zur Biomassenutzung in der Region geben können, so Bretz gegenüber den PNN. Ähnlich sah es der Chef der Grünen-Landtagsfraktion Axel Vogel.

Er kenne die genauen Pläne nicht, es handle sich um Pläne der Tagebau- und Minensparte des Konzerns, so Grundmann. Fest stehe aber, dass ein Großteil der Biomasse importiert werden muss. Zumal Vattenfall sie in Berlin in noch größerem Stil nutzen will: Im Kraftwerk Lichtenberg sollen, wie berichtet, jährlich 1,5 Millionen Tonnen Biomasse verstromt werden. Berlin, so hatte der Konzern im März 2010 erklärt, werde damit zum Weltmeister bei der Energieversorgung aus Biomasse sein.

Doch aus der Region kann Vattenfall nicht einmal ein Zehntel seines Bedarfs decken. In der Lausitz hatte Vattenfall bis vor Kurzem lediglich knapp 100 Hektar Testflächen für den Anbau schnellwachsender Gehölze, nun sind es knapp 500 Hektar, geplant sind 10 000. Nach Experten-Berechnungen könnte Vattenfall so jährlich etwa 100 000 Tonnen Biomasse ernten. Das, so Grünen-Fraktionschef Vogel, Mitglied im Wirtschaftsausschuss, reiche bei Weitem nicht.

Schon im Vorjahr hat der Konzern angekündigt, in Ländern wie Kanada oder der Ukraine zu verhandeln. Für Berlin wird der Großteil der Biomasse aus dem afrikanischen Krisenland Liberia kommen. Dort hat sich Vattenfall in eine Kautschukplantage eingekauft. Alte Gummibaumplantagen sollen abgeholzt werden.

Nur: Wie der Öko-Energieträger – in der Regel Holzschnippsel oder -pellets – in die Region gelangen soll, blieb nach Ansicht von Ausschussmitgliedern offen. Grüne, CDU, FDP und auch der Chef des Wirtschaftsausschusses, Reinhold Dellmann (SPD), erkannten während der Anhörung kein logistisches Gesamtkonzept. Bekannt ist, das ein Großteil über den Seeweg nach Deutschland kommen soll. Per Binnenschiff könnten die Ladungen nach Königs Wusterhausen gelangen, wo am Hafen ein Biomasse-Zentrum geplant ist. Von dort müsste die Biomasse-Masse, die etwa 100 Lkw-Ladungen täglich allein für Berlin entspricht, zu den Kraftwerken kommen.

Generell wird aber am Sinn vom Biomasse-Import über weite Strecken gezweifelt – in den zuständigen Ausschüssen im Landtag, aber auch am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK). PIK-Experte Alexander Popp sagte den PNN, es bestehe die Gefahr, die in Deutschland durch die importierte Biomasse potenziell gesparten CO2-Emissionen nur zu verlagern – etwa auf die Transportwege und in die Herkunftsländer. Die Nutzung der Biomasse von Importgehölzen, so Popp, sei ohnehin nicht ganz kohlenstoffneutral: Um dies sicherzustellen müsse zum einen die verfeuerte Biomasse adäquat durch Neupflanzungen ersetzt werden, und auch dann kämen noch die Emissionen vom Transport hinzu

Auch den Import von Biomasse aus Ländern wie Liberia sieht er kritisch: „ In solchen Ländern ist die Kontrolle der Nachhaltigkeit der Rodung, Bewirtschaftung und Nachnutzung der Plantagen schwierig.“ Es müsse auch geschaut werden, was nach dem Abholzen auf den Flächen geschieht. Popp warnt vor indirekter Landnutzungsverlagerung: Wenn nach dem Roden wieder schnellwachsende Pflanzen für den lukrativen Biomasse-Export angebaut werden, wachse der Druck, weitere Flächen entweder dem Nahrungsmittelanbau zu entziehen oder aber Regenwälder abzuholzen.

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