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Der Sammler als Hausherr. Eduard Arnhold (1849–1925) im Jahr 1919 vor Edouard Manets Gemälde „Künstler und Hund“.

© Rudolph Dührkoop/Ullstein Bild

Berliner Kunstförderer: Eduard Arnhold: Der Magnat als Mäzen

Ein Bildungs- und Bilder-Bürger: Eduard Arnhold brachte Manet und Monet nach Berlin. Über den großen, heute fast vergessenen Kunstförderer – zum 90. Todestag.

Es ist die denkbar merkwürdigste Straßenkreuzung. Beim lauschigen Dorfteich des Örtchens Hirschfelde, knapp 30 Kilometer östlich von Berlin, treffen die Eduard-Arnhold-Straße und die Ernst-Thälmann-Straße aufeinander, und die Straßenschilder berühren sich fast. Der eine Namenspatron war einst Vorsitzender der Kommunistischen Partei und wurde von den Nazis im KZ Buchenwald ermordet. Der andere, Eduard Arnhold: ein freigeistiger Konservativer jüdischer Herkunft, Kohlehändler, Selfmademan, Berliner Wirtschaftsmagnat, im Kaiserreich und noch in der Weimarer Republik einer der reichsten Männer des Landes; zudem ein sozialer Philanthrop und Kunstmäzen sondergleichen, der am 10. August 1925, Montag vor 90 Jahren, gestorben ist.

Berlins Rothschild oder Carnegie und der Kommunist – in Hirschfelde? Arnhold hätte mit seiner Weltoffenheit vermutlich gelächelt. Tatsächlich führt zumindest Eduard Arnholds Lebensspur in das märkische Dorf, benannt nach einem preußischen Rittergut, das er 1904 als Landsitz erworben und gleichermaßen zu einem Mustergut (auf dem die Kühe vor dem Melken gebadet wurden) wie einem Kulturort mit riesigem Skulpturenpark und eigenem Naturtheater entwickelt hat.

Auch in Berlin, wo er vor allem wirkte, trugen bis 1938 mindestens zwei Straßen Eduard Arnholds Namen, der spätestens mit der NS-Pogromnacht aus dem öffentlichen Bild verschwand. Und heute wissen hierzulande nur noch Kenner von dem Magnaten und Mäzen. Selbst im Boom der offiziellen Erinnerungskultur wirkt ausgerechnet am Herkunftsort ein Exempel der Berliner und deutschen, ja: europäischen Kultur- und Wirtschaftsgeschichte fast wie vergessen.

Arnhold war der Sohn eines Dessauer Arztes, der als Anhänger der gescheiterten 1848er-Revolution später in Berlin eine der öffentlichen Bildung dienende Leihbibliothek am Molkenmarkt betrieb, und einer offenbar geistreich-wortwitzigen Berliner Mutter. Beide liberale Juden, und der ehrgeizige Sohn ging 1863, mit 14 Jahren, als Lehrling ins Geschäft des von Berlin bis in die oberschlesischen Bergwerke operierenden Kohlegroßhändlers Caesar Wollheim. Der junge Arnhold, der nach der Mittleren Reife bereits mehrere Sprachen beherrschte, ungewöhnlich belesen war und auffiel mit seinem Sinn für Marktchancen, neue Vertriebswege und die Motivation von Mitarbeitern und Zulieferern (vom Bergmann und Kohleschiffer bis zum Kontoristen), er bekam schon mit 21 Prokura, wurde mit 25 Jahren Wollheims Teilhaber und nach dessen Tod 1899 Chef des auch ins Gasgeschäft und Reedereiwesen expandierenden Unternehmens.

Der erste Jude im Preußischen Herrenhaus

Schnell stieg Eduard Arnhold auch in der deutschen Wirtschaftselite auf, war führend in den Aufsichtsgremien etwa der Dresdner Bank, der Reichsbank, der auf sein Mitbetreiben gegründeten Berliner Straßenbahn oder der Allgemeinen Electricitätsgesellschaft (AEG). Kaiser Wilhelm II. schätzte Arnholds Rat, wollte ihn wohl zum Minister machen und in den Adelsstand erheben, aber dafür hätte sich Arnhold erst christlich taufen lassen müssen, was dieser, obschon ökumenischen Geistes, als Eingriff in seine bürgerliche Privatsphäre selbstbewusst ablehnte. Dafür wurde er 1913 als einziger Jude Mitglied des Preußischen Herrenhauses, der zweiten Kammer des damaligen Parlaments (im heutigen Bundesratsgebäude).

Wie andere jüdische Unternehmer oder auch sein enger Künstlerfreund Max Liebermann zeigte sich Arnhold kaisertreu, deutschnational und gleichermaßen für die Künste und soziale Aufgaben engagiert. Davon zeugt bis heute bei Werneuchen, unweit des Guts Hirschfelde, das einstige Johannaheim, benannt nach Arnholds Gattin. Inzwischen heißt die imposante, von einem Park umgebene Anlage Jugendbildungsstätte Kurt Löwenstein. Sie wurde 1907 als Heim und Schule für Mädchen aus prekären Verhältnissen, für Waisenkinder und Halbwaisen, von Arnhold als Stiftung errichtet, versehen mit einem Stammkapital von drei Millionen Mark. Zu dieser Zeit übrigens wurde Arnholds Vermögen bereits auf mehr als 40 Millionen Goldmark taxiert (nach heutigem Euro-Wert das mindestens Fünfzehnfache). Laut der exzellenten biografischen Studie „Eduard Arnhold – zu Unternehmer- und Mäzenatentum im Deutschen Kaiserreich“, die der Historiker Michel Dorrmann 2002 im Berliner Akademie Verlag vorgelegt hat, förderte das Ehepaar Arnhold etwa 85 soziale Vereine und Institutionen. Gut ein Viertel seines Vermögens hat der Magnat und Mäzen zeitlebens für kulturelle und gesellschaftlich-karitative Zwecke aufgewendet.

In Rom steht die von ihm mit dem Schweizer Künstler-Architekten Maximilian Zürcher ab 1910/11 erbaute und dem deutschen Staat gestiftete Villa Massimo: mit ihrem Neorenaissance-Palazzo, dem schönen 25.000 qm großen Park und den noch immer avantgardistisch modern anmutenden Ateliers für bildende Künstler, Schriftsteller, Komponisten und Musiker, die dort jeweils zehn Monate Deutschlands edelste Stipendien genießen. Im Besitz von Nachfahren der Familie ist noch die Villa Bellagio bei Fiesole in den Hügeln über Florenz, die Arnhold nach dem Tod von Arnold Böcklin 1902 aus dem Nachlass des dort verstorbenen, von ihm gesammelten Malers erworben hat.

Arnholds Kunstsammlung: verstreut, verschollen

Arnholds Berliner Häuser jedoch sind ausgelöscht. Nicht mehr erhalten das prächtige Stadtpalais in der früheren Regentenstraße 19 in Tiergarten (jetzt Hitzigallee, benachbart der Neuen Nationalgalerie), und auch nicht die im Renaissancestil entworfene Villa mit Skulpturengarten am Wannsee, nur wenig entfernt vom Domizil seines Freundes Max Liebermann. Eine äußere Ahnung von jener vergangenen Lebenswelt gibt am gegenüberliegenden Wannsee-Ufer jetzt noch das Anwesen der American Academy, einst Sommerhaus des Neffen von Eduard Arnhold, der als Bankier mit seiner Familie 1939 in die USA emigrieren konnte und dessen Familie die 1998 eröffnete Akademie gestiftet hat.

Eduard Arnholds Gemälde- und Skulpturenkollektion, einst die „künstlerisch wertvollste Privatsammlung moderner Kunst“ in Deutschland (so Hugo von Tschudi, der einstige Direktor der Berliner Nationalgalerie), ist verstreut und zum Teil durch NS-Willkür und Krieg verschollen. Darunter auch Max Liebermanns Arnhold-Porträt. Es gibt in der Hauptstadt allein noch die Grabstätte Arnholds und seiner Frau Johanna auf dem Alten Friedhof in Wannsee – und die Kunst, die er den Staatlichen Museen, deren Förderer und Berater er über Jahrzehnte war, geschenkt oder deren Erwerb er durch Geldgaben ermöglicht hat.

Tizians „Venus mit dem Orgelspieler“, ein Highlight der Berliner Gemäldegalerie, verdankt sich Arnholds Ankaufspende, in der Alten Nationalgalerie Edouard Manets „Wintergarten“ oder Max Liebermanns „Landhaus in Hilversum“; der Mäzen schenkte den Museen weitere Gemälde von Manet oder Cézanne, unterstützte die Islamische und Ostasiatische Abteilung, zudem beispielsweise die Grabungen in Samarra. Und für die Berliner Antikensammlung steuerte er mitten im Ersten Weltkrieg 100.000 Mark bei zum Erwerb der „Thronenden Göttin von Tarent“, noch ein Glanzstück.

Ein Bildungs- und ein Bilder-Bürger

Eduard Arnhold, dessen eigene Lebensformel (außer „Reichtum verpflichtet“) „Fleiß und Fröhlichkeit“ hieß, konnte mit dem apokalyptischen Pathos der Expressionisten nur wenig anfangen. Doch war er der erste Großsammler, der die Bilder von Manet, Monet, Renoir, Cézanne nach Deutschland brachte und den Impressionismus des französischen (damaligen) „Erbfeinds“ auch kultur- und museumspolitisch durchgesetzt hat, neben den (nicht nur) Berliner Secessionisten wie Liebermann, Leistikow, Lesser Ury oder auch Lovis Corinth. Dies alles gegen mächtige Widerstände, von Wilhelm II. bis zum bedeutenden, insoweit jedoch reaktionären Maler Adolph von Menzel. Antisemitische Anfeindungen („gelber Mohr“) ließ er dabei an sich abprallen. Auch seine enorme eigene Kollektion im Haus in der Regentenstraße machte Arnhold zu ausgewählten Zeiten öffentlich zugänglich.

Ein Bildungs- und Bilder-Bürger. Zu seinem zivilgesellschaftlichem Engagement gehörte darüber hinaus die Förderung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, Vorgängerin der heutigen Max-Planck-Gesellschaft, oder die Flugunternehmungen des Grafen Zeppelin. Den jungen Komponisten Arnold Schönberg hat er unterstützt, und sogar die Filmgeschichte verdankt ihm mittelbar einen Star. Der Regisseur Fritz Lang sah in einer Liebhaberaufführung des „Sommernachtstraums“ im Parktheater des Guts Hirschfelde ein Mädchen namens Brigitte Helm (eine Schülerin des Johannaheims). Lang machte sie später zum Gesicht seines Filmklassikers „Metropolis“. Das Theater in Hirschfelde ist freilich längst zerstört, das teilrenovierte Gutshaus mit nur Resten des Parks wird gerade für 1,5 Millionen Euro privat zum Verkauf angeboten.

Mit Arnhold, dem Urgroßonkel des Autors dieser Zeilen, war in Berlin wohl vergleichbar nur sein Industriellenkollege James Simon, dessen Namen die neue Eingangshalle der Museumsinsel tragen wird. Wenn in ihr künftig auch an Eduard Arnhold erinnert würde, wäre das ein schönes, überfälliges Zeichen.

Am 3. September lädt die Stiftung Brandenburger Tor um 19 Uhr zur Hommage „Max Liebermann und Eduard Arnhold“, mit Gesprächen und einer Ausstellung (Max Liebermann Haus, Pariser Platz 7).

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