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Kultur: : Die große Güte

Die Berlinale endet heute mit Charlie Chaplins "Großem Diktator". Der Film endet mit einer Rede des chaplinesk sich vermenschlichenden Hitler-Doubles, die auch heute verblüffende Aktualität hat.

Die Berlinale endet heute mit Charlie Chaplins "Großem Diktator". Der Film endet mit einer Rede des chaplinesk sich vermenschlichenden Hitler-Doubles, die auch heute verblüffende Aktualität hat. Nicht zuletzt passt der Appell zum diesjährigen Berlinale-Motto "Accept Diversity". Hier ist das Dokument der Filmgeschichte (aus dem Jahr 1940) in gekürzter Version zu lesen.

Es tut mir Leid, aber ich will kein Kaiser sein. Das ist nicht meine Sache. Ich möchte niemanden beherrschen und niemanden bezwingen. Es ist mein Wunsch, einem jeden zu helfen - wenn es möglich ist - sei er Jude oder Nichtjude, Weißer oder Schwarzer.

Wir alle haben den Wunsch, einander zu helfen. Das liegt in der Natur des Menschen. Wir wollen vom Glück des Nächsten leben - nicht von seinem Elend. Wir wollen nicht hassen und uns nicht gegenseitig verachten. In dieser Welt gibt es Raum für alle, und die gute Erde ist reich und vermag einem jeden von uns das Notwendige zu geben.

Wir können frei und anmutig durchs Leben gehen, doch wir haben den Weg verloren. Die Gier hat die Seelen der Menschen vergiftet - sie hat die Welt mit einer Mauer aus Hass umgeben - hat uns im Stechschritt in Elend und Blutvergießen marschieren lassen. Wir haben die Möglichkeit entwickelt, uns mit hoher Geschwindigkeit fortzubewegen, doch wir haben uns selbst eingesperrt. Die Maschinen, die uns im Überfluss geben sollten, haben uns in Not gebracht. Unser Wissen hat uns zynisch, die Schärfe unseres Verstandes hat uns kalt und lieblos gemacht. Wir denken zu viel und fühlen zu wenig.

Das Flugzeug und das Radio haben uns einander näher gebracht. Das innerste Wesen der Dinge ruft nach den guten Eigenschaften im Menschen - ruft nach weltweiter Brüderlichkeit - fordert uns auf, uns zu vereinigen. In diesem Augenblick erreicht meine Stimme Millionen Menschen in der ganzen Welt - Millionen verzweifelter Männer, Frauen und kleiner Kinder, - die die Opfer sind eines Systems, das Menschen dazu bringt, Unschuldige zu quälen und in Gefängnisse zu werfen. Denen, die mich hören können, rufe ich zu: "Verzweifelt nicht!" Das Elend, das über uns gekommen ist, ist nichts als Gier, die vorübergeht - die Bitterkeit von Menschen, die den Fortschritt der Menschheit fürchten. Der Hass der Menschen wird aufhören, Diktatoren werden sterben, und die Macht, die sie dem Volk genommen haben, wird an das Volk zurückgegeben werden.

Soldaten! Kämpft nicht für die Sklaverei! Kämpft für die Freiheit! Im siebzehnten Kapitel des Lukas-Evangeliums steht geschrieben, das Reich Gottes sei im Menschen - nicht in einem Menschen oder in einer besonderen Gruppe von Menschen, sondern in allen! In euch! Ihr, das Volk, habt die Macht - die Macht, Maschinen zu erschaffen. Die Macht, Glück hervorzubringen! Ihr, das Volk, habt die Macht, das Leben frei und schön zu gestalten - aus diesem Leben ein wunderbares Abenteuer werden zu lasen. Lasst uns also - im Namen der Demokratie - diese Macht anwenden - vereinigt euch! Lasst uns kämpfen für eine neue Welt, für eine gesittete Welt, in der jedermann die Möglichkeit hat, zu arbeiten, die der Jugend eine Zukunft und die dem Alter Sicherheit zu geben vermag.

Die Gewalttäter sind zur Macht gekommen, weil sie euch diese Dinge versprochen haben. Doch sie lügen! Sie halten ihre Versprechen nicht. Sie werden das nie tun! Diktatoren befreien sich selbst, aber sie versklaven das Volk. Lasst uns nun dafür kämpfen, die Welt zu befreien - nationale Schranken niederzureißen - die Gier, den Hass und die Intoleranz beiseite zu werfen. Lasst uns kämpfen für eine Welt der Vernunft - eine Welt, in der Wissenschaft und Fortschritt zu unser aller Glück führen sollten.

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