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W. Michael Blumenthal, Gründungsdirektor des Jüdischen Museums Berlin, mit dem Modell der "W. Michael Blumenthal Akademie".

© obs/Jüdisches Museum/Wolfgang Busch

Festkonzert für Michael Blumenthal: Rhythmus eines Lebens

Michael Blumenthal bekam zum 90. Geburtstag ein Wunschkonzert. Außerdem wird die Akademie des Jüdischen Museums Berlin künftig seinen Namen tragen.

Auch wenn die Höhe seines Lebensalters den Jubilar vorübergehend sprachlos macht, kann ein Wunschkonzert doch nicht ohne Worte auskommen. Das gilt besonders dann, wenn das Hauptgeschenk in Worte verpackt überreicht wird. Der Direktor des Jüdischen Museums, Peter Schäfer, übernimmt das zum Schluss des Festkonzerts, mit dem der 90. Geburtstag des Gründungsdirektors W. Michael Blumenthal am Donnerstagabend im Glashof geehrt wird. Die Akademie des Jüdischen Museums, die so viel von Blumenthals gesellschaftspolitischem Engagement und seinen politischen Visionen in sich birgt, wird künftig seinen Namen tragen. Eine Pflanze aus dem „Garten der Diaspora“, den er so mag, gibt's als Präsent dazu. Und um die Arbeit der Akademieprogramme weiterzuentwickeln, ist zudem vor einem Jahr ein „Blumenthal Fund“ eingerichtet worden, dessen Erträge besonders dem Jüdisch-Islamischen Forum zufließen sollen. Schäfer ermutigt ausdrücklich zu Spenden, bevor alle ins Schlusslied „Happy Birthday“ einstimmen.

„Fascinating Rhythm“ von George Gershwin ist das musikalische Leitmotiv des Abends, der in seinen Klangvarianten weit gestimmt ist. Mit leichter Hand moderiert von Christoph Stölzl, dem Präsidenten der Hochschule für Musik Weimar, gibt es tatsächlich noch Neues zu erfahren von dem weithin bekannten Geburtstagskind. Dass er als Kind die Besuche bei der frommen Verwandtschaft am Hackeschen Markt gar nicht lustig fand zum Beispiel. Und dass ihm die jiddische Musik im Grunde zu weinerlich ist.

Die Operette lernte er in Shanghai kennen - von österreichischen Flüchtlingen

Einen charmanten Missionsversuch machte Alma Sadé mit zwei Stücken aus ihrem Programm „Farges Mikh Nit“. Natürlich gehörte das Sehnsuchtslied der Flüchtlinge vor dem Nazi-Regime dazu, „Irgendwo auf der Welt“. Das besaß Blumenthals Schwester auf einer Schellackplatte, die sich auf dem langen Weg nach Schanghai jedoch verbog. Im dortigen Ghetto, unter japanischer Besetzung, brachten ihm österreichische Flüchtlinge wiederum erstmals die Operette nahe. Jahrzehnte später besuchte Blumenthal die New Yorker Met, „um mal zu erleben, wie sich Lehars ,Lustige Witwe‘ richtig anhört“. Hier spielte das Stegreif Chamber Orchestra „Heia Mädl“.

Blumenthals Ehefrau Barbara hatte die Idee, den runden Geburtstag in Berlin zu feiern, mit insgesamt 23 Blumenthals, dem Sohn, drei Töchtern, den Enkeln und Anhang. Bewegend auch die Wiederbegegnung mit Ken Gorbey, jenem Neuseeländer, der zwar kein Deutsch konnte und kein Jude war, aber maßgeblich dazu beitrug, ein Museum zu schaffen, das Geschichten erzählt.

Eine Geschichte von großen Visionen erzählt auch Blumenthals eigenes Leben. Wer hätte dem Berliner Jungen, der darunter litt, ausgeschlossen zu sein aus dem Kreis der Altersgefährten, und der 1939 fliehen musste, diese Zukunft voraussagen können! In Schanghai musste er nach Kriegsende 20 Monate auf das US-Visum warten, das ihm den Weg ebnete, Finanzminister des Landes zu werden. Nun ist er Ehrenbürger Berlins, der Regierende Bürgermeister Michel Müller ist ebenso gekommen wie dessen Vorgänger Klaus Wowereit, Finanzminister Wolfgang Schäuble und Kulturstaatsministerin Monika Grütters. Sie schenkt ihm zum Fest eine Zigarre „im Churchill-Format“.

Spät fand er zu Wagner und seinen überkandidelt deutschen Meistersingern

Die Rede kommt irgendwann auf die vielen Jobs, mit denen Blumenthal sich sein Studium in Princeton finanzierte. Das einträgliche, weil schwierige Ausleuchten von Stripteasetänzerinnen zählte auch dazu. In diese Zeit am Lake Tahoe fielen Begegnungen mit den Mills Brothers und deren Song „Paper Doll“. Um auf den Wagner-Geschmack zu kommen, brauchte Blumenthal etwas länger; heute findet er „Die Meistersinger“ lustig, weil „so überkandidelt deutsch“. Als Student hatte ihn Isoldes langer Liebestod verschreckt, später mochte er „Tannhäuser“ – das Orchester spielt zum Geburtstag die Ouvertüre.

An Sinatra schätzt der Jubilar dessen wunderbares Gespür für Timing: „New York, New York“ animiere seine amerikanischen Seite. Zum Festakt erklingt die „Berlin, Berlin“-Version mit „My Way“ als Medley, „Welcome“ aus „Cabaret“darf natürlich nicht fehlen. Seine amerikanische Verwandtschaft, teils zum ersten Mal hier, fühlt sich wohl in Berlin, wie Blumenthal am Ende verrät.

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